Kommentar |
"Alles ist Text", "Sprache konstituiert Wirklichkeit", "Objektive Wahrheit gibt es nicht", "Die Wirklichkeit gibt es nicht": derartige Kernaussagen des Poststrukturalismus scheinen im akademischen Betrieb und in politischen Zusammenhängen heute die Speerspitze der Gesellschaftskritik zu bilden,zumindest ihrer gesellschaftlichen Wirkmacht und ihrem Selbstverständnisnach.Das Verhältnis von Kritik – seit Kant vor dem Gerichtshof der Vernunft – und Vernunft selbst scheint sich in zwei Richtungen aufzulösen: poststrukturalistische Kritik an Wahrheit, Vernunft und Objektivität einerseits und positive, instrumentell vernünftige Wissenschaft andererseits. Bei Adorno noch sind Objektivität der Wahrheit und Vernunft der Kritischen Theorie verbindlich, wenn auch mit dialektisch gewendetem Vernunftbegriff. Ähnliches lässt sich über das Verhältnis von Kritik und Totalität feststellen: heutige Gesellschaftskritik kritisiert oftmals, Gesellschaft als Totalität zu beschreiben, nicht jedoch die falsche Totalität der Gesellschaft, welche die Kritische Theorie in den Blick nimmt.Das Projekttutorium widmete sich im ersten Semester entlang der Begriffe Wahrheit, Totalität, Dialektik und Versöhnung der gemeinsamen Lektüre zentraler Texte der Gesellschaftstheorie Theodor W. Adornos und Max Horkheimers, um jene in Hinblick auf deren Aktualität im jetzt folgenden zweiten Semester ins Verhältnis zu zeitgenössischen poststrukturalistischen Theorien (v.a. Foucault, Derrida, Butler) zu setzen.Im dritten Semester diskutierten wir die Rezeption von Nietzsche und Marx in der Kritischen Theorie und im Poststrukturalismus, das nun folgende vierte Semester wird sich der Lektüre von Freuds Psychoanalyse und deren Rezeption in der Kritischen Theorie (Adorno) und im Poststrukturalismus (Lacan, Foucault, Deleuze, Butler) beschäftigen. Hierbei werden vor allem der Bezug zur Leiblichkeit, Konzepte von Objektivität und Aufklärung und das Verhältnis zur Gesellschaft zu diskutieren sein.Das Projekttutorium richtet sich an interessierte Studierende aller Fächer, Neuzugänge sind willkommen, jedoch wird die Lektüre der Grundlagentexte der Kritischen Theorie Adornos und Horkheimers, wie sie im ersten Semester erfolgte, vorausgesetzt, da sie die Grundlage der Diskussion bilden. Ferner ist regelmäßige Teilnahme und Bereitschaft zur Lektüre auch schwer zugänglicher Texte obligatorisch.
Studierende der Philosophie können nur Studienpunkte erwerben, wenn sie nach der Studienordnung von 2014 studieren, Studierende anderer Fächer nach Absprache. |