Kommentar |
Welche Alltagsnormen brachte die frühneuzeitliche Gesellschaft hervor? Wie reagierten Fürsten, Stände und Bevölkerung im 16., 17. oder 18. Jahrhundert, wenn eine Pestepidemie oder eine Hungersnot ausbrach? Wie hatte man zu wirtschaften? Was galt als sittlich und was als kriminell, wie wurden Missetäter bestraft? Welche Kleidung wurde als standesgemäß betrachtet und wie sollte man sich in Kirchen oder Wirtshäusern verhalten? Solche Fragen und alles, was das „gemeine Wohl“ betraf, verhandelten die Zeitgenossen im Alten Reich unter der „guten Policey“. Damit bezeichneten sie einerseits die ‚gute’ Ordnung eines Gemeinwesens, andererseits die Instrumente zu ihrer Herstellung und Wahrung (etwa Verordnungen und Erlasse, Ämter und Amtsträger, Ahndungen von Verstößen). In der Policey bündelten sich also frühneuzeitliche Vorstellungen und Praktiken von Politik und Regieren; hier lässt sich zudem die einsetzende Staatsbildung auf konkreten Handlungsfeldern beobachten.
Das Seminar widmet sich schwerpunktmäßig den frühneuzeitlichen Stadtgesellschaften und ihrem Zusammenspiel mit den ‚absoluten’ Fürsten im Alten Reich und in Frankreich. Mit Blick auf die Normierung von sittlichem Leben und Moral, den Umgang mit Kriminalität und Devianz, die Gesundheits- und Armenpolicey, die Verhaltensregeln in öffentlichen Räumen, die Verregelung von Wirtschaft und die sich ausbildende Gesetzgebung und Verwaltungspraxis führt es in die politische Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit ein. Vor dem Hintergrund der Forschungsdiskussionen um Absolutismus und Sozialdisziplinierung soll nicht zuletzt gefragt werden, welche Rückschlüsse das Konzept der „guten Policey“ über das Verhältnis von Obrigkeit und Untertanen in der Frühen Neuzeit zulässt.
Einführende Literatur: Andrea Iseli, Gute Policey. Öffentliche Ordnung in der Frühen Neuzeit, Stuttgart 2009. |