Kommentar |
Ihre zeitgenössischen Gegner bezeichneten sie als Fanatiker und Schwärmer, sie selbst hielten sich für Boten Gottes und glaubten fest an die Notwendigkeit, die Institution der Kirche zu reformieren. Sie sammelten Anhänger um sich, mit deren Hilfe sie ihre Visionen zu realisieren hofften. Viele von ihnen nutzten das Medium des gedruckten Wortes, um auf sich aufmerksam zu machen, und fachten kontroverse Debatten an. Ihre religiösen Reformideen implizierten häufig eine radikale Umgestaltung der bestehenden sozialen Ordnung. Damit gerieten sie in Konflikt mit kirchlichen und staatlichen Obrigkeiten, die den Dissens zu marginalisieren suchten.
Die Annäherung an dieses für die Frühe Neuzeit bedeutende Phänomen soll hier nicht aus theologischer oder ideengeschichtlicher Perspektive geschehen, vielmehr wird ein sozial- und kulturgeschichtlicher Ansatz verfolgt. Es geht darum – nicht zuletzt anhand der Lektüre zeitgenössischer Quellen – sozio-kulturelle Praktiken im christlichen Europa zu rekonstruieren, Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Kontakte unterschiedlicher Gruppierungen und Formen der Intervention der Obrigkeiten zu beobachten sowie das Augenmerk auf geschlechtsspezifische Besonderheiten zu richten. |
Literatur |
Hans-Jürgen Goertz, Religiöse Bewegungen in der Frühen Neuzeit, München 1993;Waltraud Pulz, Nüchternes Kalkül – Verzehrende Leidenschaft, Köln-Weimar-Wien 2007; Anne Jacobson Schutte, Aspiring Saints. Pretense of Holiness, Inquisition, and Gender in the Republic of Venice, 1618-1750, Baltimore 2003. |