Erinnerung/Erinnerungen ist ein Terminus, der uns in jüngster Zeit täglich beinahe aufdringlich begegnet. Alle Genres der Medien, Museen und Gedenkstätten, Landschaften, Orte, Räume, Denkmäler, Statuen nehmen Erinnerungen zum Anlass oder auf. Besonders die forcierte Erinnerung an den 1. Weltkrieg überall in Europa sowie der Fall der Mauer vor 25 Jahren hat das Jahr 2014 geradezu überflutet und zu einer Emsigkeit des Erinnerns auf unterschiedlichsten Ebenen mit unterschiedlichsten Ritualen und Emotionen geführt. Deren Bogen spannt sich von Trauer bis Freudenfest und Spektakel. Der Symbolik des Erinnerns sind keine Grenzen gesetzt. Sie haben sich 2014 zwischen „Ring der Erinnerung“, der am Soldatenfriedhof des 1. Weltkriegs in Notre-Dame-de-Lorette in Nordfrankreich Namen von 580.000 getöteten Soldaten verzeichnet, den
Hunderttausenden aus Keramik hergestellten roten Mohnblumen am Londoner Tower bis zum ersten Denkmal für eine Frau, für Lise Meitner, vor dem Hauptgebäude der HUB gezeigt. Und Stolpersteine, immer wieder sollen wir über sie stolpern, überall dort, wo jenes Haus stand oder steht, aus dem Jüdinnen und Juden deportiert wurden – 50.000 erinnern inzwischen in Deutschland an deren Namen. Mancherorts dürfen sie nicht sein. 2015 jährt sich das Ende des 2. Weltkriegs zum 70. mal.
An den Konzentrationslagerorten werden sehr alte Menschen aus der ganzen Welt den 70. Jahrestag der Befreiung als Begegnung der Generationen feiern wie an den Jahrestagen zuvor.
Im polnischen Danzig ist für das Jahr 2016 die Eröffnung des „Museums des Zweiten Weltkriegs“ geplant. Hier soll es um die Präsentation unterschiedlicher Erfahrungen und historischer Erinnerungen der Europäer gehen.
Parallel zu den vielfältigen Aktivitäten ist ein interdisziplinärer wie konfliktreicher Erinnerungsdiskurs zu verfolgen, der die bisherigen Praktiken in Frage stellt, von „postheroischer“ Erinnerungskultur wie „verletztem Gedächtnis“ spricht und meint, dass das Zeitalter der Weltkriege die europäische Erinnerungskultur fundamental verändert habe, die Schuld als Last der Vergangenheit abgegolten sei. Und in die Zukunft gewandt meinen die Stimmen, Erinnerungskultur müsse (deshalb) theoretisch und praktisch neu verhandelt werden. Der Terminus Renovierung wird benutzt, der Generationenwechsel angemahnt. Zeitgleich ist eine zunehmend artikulierte Angst zu beobachten, die sich auf das Weggehen der Zeugen, damit den Verlust der Deutungsinstanz fokussiert und auf die vermeintlich nachfolgende Unsicherheit bei der pädagogisch-didaktischen Vermittlung.
Auf der Basis dieser konfliktträchtigen Entwicklungen wie aber zugleich der klassischen Schriften der Erinnerungsexpertinnen und –experten werden im Seminar Theorien und praktische Handlungen diskutiert. Das Seminar wird sich auf Erinnerungsorte innerhalb Berlins orientieren und eine Exkursion nach Weimar und Buchenwald einbeziehen wie in die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück.
|