Kommentar |
Zweifellos hat sich der Kulturbegriff in den letzten Jahrzehnten zu einem „absoluten Begriff“ entwickelt. „Eigentlich ist alles kulturell“ und damit im pragmatischem Sinne alles gemacht, hergestellt, erzeugt und konstruiert, selbst dasjenige, was innerhalb der europäischen Ideen- und Kulturgeschichte bislang als Unverfügbares gelten und dem Bereich der Kultur entgegensetzt werden konnte: wie „die Natur“ und „das Klima“. Ethnolog_innen wie Philippe Descola, Timothy Ingold und Marilyn Strathern stellen dagegen in jüngster Zeit, im Hinblick auf außereuropäische Gesellschaften die universelle Verbreitung des Gegensatzes von Natur und Kultur und die strikte Geltung der Grenzziehung zwischen Menschen und Tieren in Frage. In der Vorlesung wird es darum gehen, die aktuellen Hypostasierungen von Kultur, aber auch die traditionellen europäischen Grenzregime und Entgegensetzungen von Natur und Kultur unter zwei Gesichtspunkten zu problematisieren: Zum einen rücken Transformations-, Übertragungs- und Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Menschen und Tieren, Natur und Kultur in den Blick, die die Grenzziehungen verschieben, sie verzweigen, komplizieren und in die eine oder andere Richtung überschreiten. Dazu gehören Denkfiguren und kulturelle Praktiken wie Körpertechniken und Küche, Reproduktion und Verwandtschaft, Totemismus, Animismus, Partizipation oder Interanimalität. Ferner gilt die Aufmerksamkeit der Frage, wie, von welchem Ort aus und mit Hilfe welcher Ereignisse, Praktiken und Techniken die Differenzierung der Differenz von Natur und Kultur, von Wildnis und Zivilisation im Bereich der Politischen Zoologie und Philosophie je verschieden gesetzt und das heißt vor allem erzählt und dramatisiert worden ist.
Am 16.4., 23.4. und 21.05. abweichender Raum (SOP 22a, 003) |