Kommentar |
Die im 44 v.Chr. fertiggestellte Schrift De fato stellt nach De natura deorum und De divinatione den dritten und letzten Teil des theologischen Werkes Ciceros dar. Unter fatum versteht Cicero das ewige ursächliche Gesetz aller Dinge, d.h. die Reihung und Verkettung der Ursachen, die sowohl die Ereignisse der physikalischen Welt als auch das Handeln der Menschen verursachen und beherrschen. Aus dieser Perspektive hat der Schicksalsbegriff also nichts mit einer irrationalistischen Weltauffassung gemein, sondern ist eher im Lichte unterschiedlicher theoretischer Bezugsrahmen zu verstehen, die die Welt als ein kohärentes, vernunftgemäßes und teleologisch-strukturiertes Ganzes darstellen. Diese Art der Weltauffassung wirft zwei große miteinander verknüpfte Fragen auf, die ganz unterschiedliche Antworten finden können: die Frage nach der Freiheit des menschlichen Handelns und die Frage der Verantwortlichkeit des Menschen für die – guten wie bösen – Folgen seines Handelns; noch eine dritte Frage, die hier erwähnt werden soll, betrifft die Rolle Gottes bzw. der Götter als verursachende Kraft und deren Einwirkung auf das menschliche Leben. Um die unterschiedlichen Schicksalslehren zu untersuchen, die in der griechischen und römischen Philosophie entwickelt wurden, stellt Ciceros De fato eine unverzichtbare Quelle dar, weil Cicero seine Erörterung als Auseinandersetzung mit nahezu allen bedeutungsvollen Schicksalslehren strukturiert, die zu seiner Zeit vorhanden waren. Durch die eingehende Analyse dieser ciceronianischen Schrift werden wir deshalb herausarbeiten, wie die Fragen nach dem Determinismus, dem menschlichen freien Willen und der menschlichen Verantwortlichkeit aus peripatetischer, stoischer, epikureischer, atomistischer und skeptischer Perspektive beantwortet wurden.
Literatur: a) Textausgabe: M. Tulli Ciceronis scripta quae mansuerunt omnia, Fasciculus 46, De divinatione, De fato, Timaeus, hrsg. von O. PLASBERG und W. AX, Bibliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana, Berlin: De Gruyter 2011 b) Übersetzung: Marcus Tullius Cicero: De fato, lateinisch-deutsch herausgegeben von K. BAYER, Oldenbourg Akademieverlag (Tusculum), 2011 c) Kommentaren, Monographien und Aufsätze: M. SCHALLENBERG, Freiheit und Determinismus. Ein philosophischer Kommentar zu Ciceros Schrift De fato, Berlin/New York 2008. D. P. MARWEDE, A commentary on Cicero's De fato. Baltimore, MD : Johns Hopkins Univ., 1984. K. BRINGMANN, Untersuchungen zum späten Cicero, Göttingen, 1971. C. SZEKERES, Ciceros Verhältnis zu seinen griechischen Quellen in De fato. In: Acta Classica Universitatis Scientiarum Debreceniensis 1995 31 : 231-236. A. J. KLEYWEGT, Fate, free will, and the text of Cicero. Mnemosyne 1973 XXVI : 342-349
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