Veranstaltung findet innerhalb des normalen Lehrplans am Institut für Europäische Ethnologie statt, zusätzlich können Studierende aus dem ÜWP Bereich teilnehmen.
Die Frage nach den Grenzziehungen zwischen verschiedenen Religionen war im Europa der Neuzeit für lange Zeit eine politische Frage: Herrschende hatten das Recht der Definition für die Religion ihres Territoriums und waren an klaren Grenzen gegenüber Religionen anderer Territorien interessiert. Dieses Modell wurde im kolonialen Kontext auf andere Regionen der Welt übertragen. Das deutlichste Beispiel dafür ist die Erfindung des „Hinduismus“ durch die britischen Kolonialbehörden im 19. Jahrhundert. Auch gegenüber einem der imaginären Geographie des „Orients“ zugerechneten Islam wurden religiöse als politische Grenzziehungen konstituiert.
Einer empirischen Beobachtung und quellengestützten Rekonstruktion stellen sich religiöse Praktiken und Überlieferungen jedoch als viel weniger deutlich gegenüber einander abgrenzbar dar. In den 1970er und 80er Jahren versuchte man dafür unter dem Stichwort „Synkretismus“ systemtheoretische Modelle zu entwickeln. Aus einer postkolonialen und diskursanalytischen Perspektive erscheinen aber auch diese Modelle noch viel zu stark am „Normalfall“ von für sich isolierbaren und klassifizierbaren Religionen orientiert. Im Zuge einer postkolonialen Reflexion treten stattdessen unsichtbar gemachte Verflechtungen hinter den und jenseits der Unterscheidungen hervor. In den Mittelpunkt rückt dabei das Interesse an den damit verbundenen politischen Interessen und Wirkungen: Inwieweit trugen klassifizierende und hierarchische Abgrenzungen anderer Religionen zur identitären Abgrenzung Europas/des Westens vom „Rest“ der Welt bei? Welche Rolle spielen epistemische Politiken der Klassifizierung generell in der Konstituierung einer europäischen Moderne? Und wie weit zeigen diese Klassifizierungen heute weiter Wirkung: in den aktuellen Diskursen und Praktiken der Europäisierung wie in den Politiken und Auseinandersetzungen im Feld der Migrationen?
Das Seminar wird diese Fragen auf der Grundlage einer experimentellen Kombination religionswissenschaftlicher und europäisch-ethnologischer Perspektiven verfolgen und dabei die klassifizierenden Grenzen wie die Verflechtungen zwischen Religionen als Bausteine Europas thematisieren.
Offen für DoktorandInnen des IfEE und des Strukturierten Promotionsprogramms „Religion – Wissen – Diskurse“
Offen für TeilnehmerInnen des Labors Kritische Europäisierungsforschung
Schwerpunkt: Anrechenbar für den Studienschwerpunkt Europäisierung
Die Lehrveranstaltung findet im Raum 108 der Theologischen Fakultät, Burgstraße 26 statt.