Kommentar |
Um die Wende zum 20. Jahrhundert und bis in die 1930er Jahre hinein gerieten die Rollenverständnisse, Geschlechtergrenzen und Vorstellungen von gleich- oder gegengeschlechtlichem Begehren in Bewegung. Gerade während des Ersten Weltkriegs mussten Frauen tradierte Männerberufe ausüben und Männer an der Front oder in Lagern Tätigkeiten durchführen, die zur weiblichen Sphäre zählten. Dies drückte sich auch in Phänomenen der Travestie und des Cross-Dressing aus, auf individueller, sozio-politischer und kultureller Ebene. Der spielerische Wechsel zum ‚anderen Geschlecht‘ durch Verkleidung fand besonders auch unter den veränderten Bedingungen des Ersten Weltkriegs statt. Hier tauschten Soldaten und Offiziere an der Front sowie Kriegsgefangene in Gefangenenlagern, unter ihnen Erwin Piscator, im Rahmen der Damendarstellung auf unterschiedlichsten Bühnenformen, vom Improvisationstheater bis hin zu fest installierten oder Wandertheater-Bühnen, ihre Geschlechterrolle – hin zum weiblichen Geschlecht. Veranstaltungen zum einhundertsten „Jubiläum“ des Ersten Weltkriegs im Jahr 2014 haben eine tiefgreifende Beschäftigung sowohl mit den Geschlechterrollen zu dieser Zeit als auch mit der Theatergeschichte angeregt. Das sexual-, kultur-, theater- und medienwissenschaftlich, psychologisch sowie queer- und geschlechtertheoretisch ausgerichtete Seminar widmet sich der Kulturgeschichte sowie humanwissenschaftlichen Vor- und Nachgeschichte dieses internationalen Phänomens anhand von wissenschaftlichen, belletristischen und feuilletonistischen (z.B. Front- und Lagerzeitungen) sowie photographischen und kinematographischen Quellen- und Archivmaterialien. Zur Veranschaulichung ist ein gemeinsamer Besuch der Ausstellung MEIN KAMERAD – DIE DIVA im Berliner Schwulen Museum* geplant. Im gleichnamigen interdisziplinären Symposium am 8. November 2014 am Institut für Kulturwissenschaft, das Teil des Seminars sein wird, diskutieren internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das historische Fach der Damendarstellung, das auch noch in den 1920er und Anfang der 1930er Jahre blühte: etwa in frühen „Hosenrollen“-Filmen, unter anderen mit Ossi Oswalda und Asta Nielsen. Hier spiegelten sich zudem der Homosexualitätsdiskurs und die Debatten zur Abschaffung des Paragraphen 175 des Strafgesetzbuchs (Ich möchte kein Mann sein/1919, Hamlet/1921, Westfront 1918/1930, Blonde Venus/1932, Viktor und Viktoria/1933). |
Bemerkung |
Die Veranstaltung findet an folgenden Terminen statt: 17.10.; 24.10. (Exkursion); 07.11.; 14.11.; 21.11.; 12.12.2014 Interessierte Studierende werden um eine persönliche Anmeldung unter langebri@cms.hu-berlin.de gebeten, dort erhalten Sie auch das Passwort für den Moodle-Kurs und weitere organisatorische Informationen. |