Das überraschende Ende der nationalen Teilung markierte auch einen Bruch mit überkommenen historischen Selbstverständnissen aus DDR und ›alter‹ Bundesrepublik. Das deutsche nation building nach 1990 war daher von intensiven gesellschaftlichen Verhandlungen rund um eine Neubestimmung des Verhältnisses von Nation und Geschichte begleitet – von Fragen der ›doppelten Vergangenheit‹ über die Mahnmal-Debatte bis hin zum Streit über das ›Zentrum gegen Vertreibungen‹.
Mit derartigen Aushandlungsprozessen wollen wir uns sowohl theoretisch als auch empirisch auseinandersetzen. Eine Exkursion in das ›historische Zentrum‹ der Hauptstadt soll zunächst einen Eindruck von den (vorläufigen) Resultaten jahrelanger Kontroversen um die gedächtnispolitische Selbstdarstellung des vereinten Deutschland vermitteln. Anschließend werden wir uns ›Gedächtnispolitik‹ als theoretische Reflexions- und Analysekategorie erschließen. Auf dieser Grundlage werden wir uns schließlich ausgewählten gedächtnispolitischen Debatten der ›Berliner Republik‹ zuwenden.
Norbert Frei: 1989 und wir? Eine Vergangenheit zwischen »Erinnerungskultur« und Geschichtsbewusstsein, in: Ders.: 1945 und wir. Das Dritte Reich im Bewusstsein der Deutschen, S. 7-21.
Thomas Lindenberger: Governing Conflicted Memories: Some Remarks about the Regulation of History Politics in Unified Germany, in: Muriel Blaive/Christian Gerbel/Ders. (Hg.): Clashes in European Memory. The Case of Communist Repression and the Holocaust, Innsbruck u.a. 2011, S. 73-87.