Kommentar |
Trotz seiner verstörenden Gestalt avancierte der „Kriegshysteriker“ seit der Moderne zu einer ikonischen Leitgestalt – nicht nur für ‚verwundete‘ Kriegsnationen, sondern auch in medizinischen Debatten und Erinnerungsdiskursen. Die Vorlesung entwirft einen Bogen, der von den „Kriegszitterern“ des Ersten Weltkriegs und ihrer militärpsychiatrischen Behandlung, über die Wiederkehr dieses ‚Störfalls‘ im Zweiten Weltkrieg und im Vietnamkrieg (PTSD) bis zu neueren Krankheitsbildern wie psychotraumatologische Störung oder „mild traumatic brain injury“ reicht (Israel/Palästina und Afghanistan). Neben Zeitschriftenartikeln, Monographien sowie Patientenakten waren und sind an der Erfindung des „Kriegshysterikers“ vielfältige Medientechniken beteiligt: wissenschaftliche Photographie und Kinematographie, Dokumentar- und Spielfilme und, jüngst, US-amerikanische Animationsvideos zwecks Desensibilisierung. Die Vorlesung fragt nach der medialen Verfasstheit militärpsychiatrischer Quellen und wie sich in der schillernden Wissensfigur des männlichen „Hysterikers“ zu Zeiten des Kriegs militärärztliches Wissen und gebrochene Idealvorstellungen des tapferen, kampfbereiten Soldaten sowie nationale Selbstbilder bündeln. |