Kommentar |
Kaum ein Gegenstand sorgt für so viel intellektuellen Zündstoff wie das Gehirn. Kein Wunder, hängt doch dieses Organ auf engste Weise mit dem zusammen, was wir gemeinhin »Geist« nennen – so eng, dass Einige von einer Identität beider Phänomene sprechen. Wenn das der Fall ist, ergibt sich eine Reihe grundsätzlicher Fragen: Sind Gehirne Subjekte? Ist das Ich eine Illusion? Wie lassen sich Rationalität, Moral oder symbolisch vermittelte Interaktion zwischen vergesellschafteten Gehirnen denken? Die Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen hat weitreichende Konsequenzen für unser Welt- und Menschenbild, aber auch für unser Wissenschaftsverständnis. Wird nämlich die Hirnforschung zur neuen Leitwissenschaft erhoben, dann wäre ihr konzeptuelles Framing auch für die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften maßgebend. Gegen einen solchen »neural turn« wurden aber bereits vielfältige Einwände vorgebracht, insbesondere von Seiten der Philosophie, der Psychologie und der kritischen Sozialwissenschaften. Zur Zeit beobachten wir daher nicht eine weitere »Dekade des Gehirns«, sondern einen Streit der Wissenskulturen – am Gehirn spalten sich die Geister. In unserem interdisziplinären Seminar werden wir die zentralen Positionen in diesem Konflikt kennenlernen. Von besonderer Bedeutung wird dabei die Frage sein, inwiefern das neurowissenschaftliche Wissen über den Geist-Gehirn-Konnex erschöpfend ist und welchen Beitrag geistes- und gesellschaftswissenschaftliche Fächer zu seiner Aufklärung leisten können. Das Seminar richtet sich somit an Studierende aller Disziplinen. Neben der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Thema wird es einen eigenen Sitzungsblock geben, in dem die Teilnehmenden gemeinsam an wissenschaftlichen Artikeln arbeiten. Bei entsprechender Qualität ist die Veröffentlichung dieser Artikel geplant. Studierende, die Spaß am wissenschaftlichen Schreiben haben, sind daher besonders willkommen. Dasselbe gilt für Studierende, die ihre stilistischen und formalen Kompetenzen im Rahmen einer Schreibwerkstatt erweitern möchten.
Der Kurs wird in Form eines Intensivseminars an fünf Samstagen im Wintersemester durchgeführt. Vorausgesetzt wird die Bereitschaft zur genauen Textlektüre sowie zur Übernahme eines Input-Statements. Darüber hinaus wird um Teilnahme am Vorbereitungstreffen am 18.10. gebeten (alternativ ist die Anmeldung per Mail an markus.dressel@hu-berlin.de möglich). Termine: 18.10., 16.00-18.00 26.10., 10.00-16.00 9.11., 10.00-16.00 23.11., 10.00-16.00 7.12., 10.00-16.00 18.1., 10.00-16.00 |