Kommentar |
„Verstehen“ und „Deuten“ kultureller Sinnzusammenhänge und sozialer Praxis werden gewöhnlich als erkenntnistheoretische Grundpfeiler ethnographischer Forschung begriffen. Dabei wird die „emische“ Insider-Perspektive dem „etischen“ Außenblick gegenüber gestellt, und die hermeneutische Interpretation wird gegenüber der kausalen Erklärung favorisiert. In diesem Seminar sollen – vor dem Hintergrund feministischer, materialistischer und prozessorientierter Debatten innerhalb und außerhalb der Ethnologie – Möglichkeiten, Probleme und verschiedenartige Ausgestaltungen verstehender Forschungsansätze erörtert werden. Dabei wird erstens die Rolle des (verstehenden, deutenden, handelnden, sich wandelnden) Subjekts und seiner sozialen und politischen Situiertheit thematisiert; zweitens werden Ontologien von Kultur, Sinn und Subjektivität, die verstehende Forschung häufig leiten, unter die Lupe genommen und aus verschiedenen Perspektiven re-konfiguriert; und drittens werden unterschiedliche epistemologische Strategien zum Umgang mit Innenperspektive und Objektivität, Verstehen und Erklären, Involviertheit und Verändern beleuchtet. Gibt es eine Einheit von Verstehen und Erklären (Bourdieu) oder kommt es auf Verändern statt Deuten der Welt an (Marx)? Wie verändern sich Subjekt-Objekt-Verhältnisse, wenn von einer Handlungsträgerschaft von Dingen (Actor Network Theory) ausgegangen wird oder wenn Forschung als situiertes und interaktives Werden-mit-Anderen (Haraway) begriffen wird? Das Seminar wird derartigen Fragen anhand konkreter Beispiele ethnographischer Forschung sowie konzeptueller Texte aus unterschiedlichen Fachrichtungen nachgehen. |