Kommentar |
Erinnerungskultur und Erinnerungsorte haben sich im 21. Jahrhundert als Forschungsfelder der Europäischen Ethnologie etabliert. „Deutsche Erinnerungsorte“ lautet der Titel des dreibändigen Pionierwerkes des französischen Historikers Etienne François und des deutschen Historikers Hagen Schulze, das ab 2001 herausgegeben wurde. Es stellt ein vorläufiges Inventar der deutschen Gedächtnislandschaft und -kultur dar und erfasst Erinnerungsorte wegen ihrer symbolischen Funktionen. Die Herausgeber wollten der Zerstörung jedweder Vergangenheit durch eine schnelllebige und somit vergessliche Zeit entgegenwirken. Diesem Fokus einen wissenschaftlichen Dienst zu erweisen, haben sich auch alle nachfolgenden Werke verpflichtet. Ihre historischen Quellen sollen zugleich kulturelles Selbstverständnis und Identität befördern. Dies gilt beispielsweise für Frankreich und Luxemburg ebenso wie für „Erinnerungsorte in der DDR“, ein von dem Historiker Martin Sabrow 2009 herausgegebener Band. Dabei werden DDR-Erinnerungsorte in differenzierter Gewichtung und in einem annähernden Querschnitt vorgestellt, die „nicht ... Lebenswelt neben oder statt der Diktatur, sondern als Alltag in der Diktatur und als Diktatur im Alltag“ abbilden (Martin Sabrow). Und das gilt für Erinnerungsorte in Berlin. Auf der Basis dieser und anderer Werke von Theoretiker_innen, wie u. a. Maurice Halbwachs, Pierre Nora, Aleida und Jan Assmann sowie Astrid Erll, möchte das Seminar arbeiten und zwei Ziele verfolgen: In der ersten Seminarhälfte wird über die Lektüre von Texten Erinnerung als Thema ethnologischer wie interdisziplinärer Forschung zugänglich gemacht und vermittelt. In der zweiten Seminarhälfte sollen kleine Gruppen selbst gewählte Erinnerungsorte erschließen, wie beispielsweise Denkmäler, Gedenkstätten, Friedhöfe. Dieses „Erschließen“ könnte über Wahrnehmungsspaziergänge, Beobachtungen oder kleinere Recherchen erfolgen und soll dokumentiert werden. Für die sich hieraus ergebenden Fragen, Probleme, Themen sollen konzeptuell Wege einer methodologischen Bearbeitung gefunden werden. Damit geht es um Quellen, Wege zu den Quellen, selbst produzierte und recherchierte Quellen, um den Ansatz einer Analyse zur Erschließung des eigens gewählten Erinnerungsortes. Das Seminarkonzept beinhaltet zudem den gemeinsamen Weg zu einem Ort musealisierter Erinnerung. |
Literatur |
Etienne François und Hagen Schulze (Hrsg.): Deutsche Erinnerungsorte Band I – III, München 2001. Volkhard Knigge und Norbert Frei (Hrsg.): Verbrechen erinnern. Die Auseinandersetzung mit Holocaust und Völkermord, München 2002. Astrid Erll: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen, Weimar 2005. Dies. und Ansgar Nünning (Hrsg.): A Companion to Cultural Memory Studies. Berlin, New York 2010. Aleida Assmann: Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik, München 2006. Martin Sabrow (Hrsg.): Erinnerungsorte der DDR, München 2009. Jörg Skriebeleit: Erinnerungsort Flossenbürg. Akteure, Zäsuren, Geschichtsbilder, Göttingen 2009. Weitere Literaturempfehlungen werden im Seminar gegeben. |