Als die Bolschewiki 1922 endgültig die Macht im ehemaligen russischen Reich übernommen hatten, gehörten zur anvisierten neuen Ordnung auch die Neuordnung der Geschlechterverhältnisse und die Emanzipation der Frau. Über progressive Frauenbilder in den sowjetischen Medien, neue Familiengesetzgebungen und staatliche Fürsorgeeinrichtungen sollten Frauen die Sphäre des Haushalts verlassen und dem Staat als Arbeitskräfte von Nutzen sein. Doch wie wurden diese Bemühungen von den Bürger_innen, insbesondere den Jugendlichen, in der vom Terror geprägten Sowjetunion aufgenommen? Welchen Effekt hatten sie für deren Alltag und Lebensentwürfe? Und überhaupt, was ist eigentlich Geschlecht, was ist Alltag, wie lässt sich beides untersuchen? Das Seminar versteht sich als Einführung in die Alltags- und Geschlechtergeschichte der Sowjetunion bis 1941. Neben klassischen Texten zur Kategorie Geschlecht und zur Alltagsgeschichte, sowie einführenden in die Epoche sollen v.a. Tagebücher aus der Stalinzeit gelesen werden. Russischkenntnisse werden nicht vorausgesetzt (Englischkenntnisse sind von Vorteil.) Einführende Literatur: Wendy Goldman: Women, the state and revolution. Soviet family policy and social life, 1917-1936. Cambridge, 1993; Dies: Women at the gates. Gender and industry in Stalin's Russia, Cambridge 2002; Barbara Evans Clements, Rebecca Friedman, Dan Healey (Hg.): Russian masculinities in history and culture. Basingstoke, Hampshire, 2002; Carmen Scheide: Kinder, Küche, Kommunismus. Das Wechselverhältnis zwischen sowjetischem Frauenalltag und Frauenpolitik von 1921 bis 1930 am Beispiel Moskauer Arbeiterinnen. Zürich, 2002; Orlando Figes: The Whisperers. Private life in Stalin's Russia. London, 2007; Joan W Scott: Gender: Eine nützliche Kategorie der historischen Analyse, in: Kaiser, Nancy (Hg.): Selbst bewußt. Frauen in den USA. Leipzig, 1994S. 27 – 75. Alf Lüdke: Alltagsgeschichte. Zur Rekonstruktion historischer Erfahrungen und Lebensweisen. Frankfurt, 1989. |