Kommentar |
Von jeher umgibt das Auswärtige Amt (AA) und seine Diplomaten in der deutschen Politik und Gesellschaft die Aura des Besonderen und Elitären. Diese Aura entfaltete sich insbesondere im Zeitraum zwischen 1871 bis 1945, als sich das AA im Zuge des Aufstiegs der Außenpolitik zu einem der wichtigsten Politikfelder und der damit verbundenen rasanten, inhaltlichen und arbeitsorganisatorischen Ausdehnung und Professionalisierung zu einer der bedeutsamsten und prestigeträchtigsten Herrschaftsinstitutionen Deutschlands entwickelte. In diesem Zusammenhang konstatierten Beobachter schon frühzeitig die Herausbildung eines von innenpolitischen Entwicklungen abgekoppelten institutionellen Eigenlebens sowie die Existenz einer von einem spezifischen Korpsgeist durchdrungenen „Diplomatenkaste“ (erst jüngst kam im Kontext der Debatte um das Buch Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik das Fortleben solcher Traditionsbestände wieder zum Vorschein). Das Hauptseminar möchte die institutionengeschichtliche Perspektive mit Aspekten einer kulturgeschichtlichen Diplomatiegeschichte kombinieren. So wird nach Herkunft, Ausbildung, Arbeitsbedingungen, Selbstverständnis, Habitus und Selbstdarstellung der Angehörigen des AA ebenso gefragt wie nach der Entwicklung diplomatischer Stile, Techniken und Zeichensysteme. Ein weiterer Schwerpunkt bildet die Beschäftigung mit der bislang kaum untersuchten Entstehung, Verarbeitung und Speicherung des durch Diplomatenberichte im AA produzierten und im Lauf der Zeit immer umfangreicheren „Welt-Wissens“. Dabei geht es auch um die Frage, wie sich diese spezifischen Auslandsinformationen auf die außenpolitische Entscheidungsfindung auswirkten. |
Literatur |
Daniel Bigalke, Das Auswärtige Amt im Deutschen Reich. Deutsche Diplomatie zwischen Republikanisierung und mangelndem Reformwillen in der Republik von Weimar, Saarbrücken 2008.- Jens Ruppenthal, Die Kolonialabteilung im Auswärtigen Amt der Weimarer Republik, in: Ulrich van der Heyden, Joachim Zeller (Hrsg.): „… Macht und Anteil an der Weltherrschaft“. Berlin und der deutsche Kolonialismus, Münster 2005.- Karl-Alexander Hampe, Das Auswärtige Amt in der Ära Bismarck. Bonn 1995.- Ders., Das Auswärtige Amt in Wilhelminischer Zeit, Paderborn 2001.- Ludwig Biewer, Das Auswärtige Amt in der Wilhelmstraße (1870-1945), Berlin 1997.- Kurt Doß, Das Auswärtige Amt im Übergang vom Kaiserreich zur Weimarer Republik, Düsseldorf 1977.- Klaus Schwabe (Hg.), Das Diplomatische Korps 1871-1945, Boppard 1985.- Tobias C. Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815-1963. Auswärtige Missionschef in Deutschland und deutsche Missionschefs im Ausland von Metternich bis Adenauer, München 2001.- Dietmar Grypa, Der Diplomatische Dienst des Königreichs Preussen (1815 - 1866). Institutioneller Aufbau und soziale Zusammensetzung, Berlin 2008.- Klaus Hildebrand, Das vergangene Reich. Deutsche Außenpolitik von Bismarck bis Hitler 1971-1945, Stuttgart 1995. |