Kommentar |
Die sozial- und kulturanthropologische Beschäftigung mit Phänomenen des Tourismus hat sich von einem relativ marginalen Forschungsfeld noch zu Beginn der 1980er Jahre in einen wichtigen Zweig der Mobilitätsforschung gewandelt, der zudem eng mit Fragen der Herstellung moderner Gesellschaften und moderner Subjekte verknüpft ist. Dabei werden traditionelle Unterscheidungen – etwa zwischen mobilen Tourist_innen und ortsfesten Einheimischen, zwischen Alltag, Arbeit und Freizeit, zwischen touristischen Herkünften und Destinationen, zwischen Mobilitätsformen, -motiven und mobilen Akteuren – zunehmend durchlässiger bzw. müssen in ihrem Verhältnis zueinander neu ausgelotet werden. So wird der „touristische Blick“ (John Urry) nicht nur für die Imagination und die Konstituierung „fremder“ Subjekte und Landschaften wirksam, sondern auch für das „Imagineering“ europäischer Erinnerungskulturen, spätmoderner Lebensformen und urbaner Alltagswelten. Im Tourismus – als weltweit größter Industrie – spiegeln sich koloniale Traditionen globaler Machtverhältnisse und Grenzregime (etwa zwischen „Reisenden“ und „Bereisten“); zugleich werden hier jedoch auch Verschiebungen dieser Verhältnisse entworfen und praktiziert, wenn etwa der Tourismus gleichzeitig weltweit größter Arbeitgeber für reguläre und irreguläre Migrant_innen ist, wenn Einwohner_innen des globalen Südens und des postsozialistischen Ostens selbst als Tourist_innen in Erscheinung treten oder wenn (westliche) Tourist_innen zu (Teilzeit)Migrant_innen mit (Zweit)Wohnsitz im Süden werden. |