Kommentar |
Die Ursprünge einer politischen Sozialanthropologie liegen in der Beschäftigung mit Formen sozialer Organisation in nicht-westlichen, scheinbar „staatenlosen“ Gesellschaften. Die Auseinandersetzung mit Kolonialismus und globalem Kapitalismus ermöglichte jedoch eine erweiterte Sicht auf eine verflochtene Globalgeschichte, auch und gerade im Hinblick auf die Entstehung moderner Staatlichkeit in Form des europäischen, des kolonialen und postkolonialen Nationalstaats. Ein Schwerpunkt der politischen Anthropologie, wie sie sich etwa mit den Werken von Eric Wolf, Jean und John Comaroff, Benedict Anderson oder Ernest Gellner verbindet, ist ihr Beitrag zur Dekonstruktion, zur Historisierung und De-Essentialisierung des nationalen Staatsmodells. Darüber hinaus sind jedoch etwa seit den 1980er Jahren neue Fragestellungen und Ansätze entwickelt worden, die sich mit den Transformationen nationaler Staatlichkeit – im Rahmen neuer Formen transnationalen, etwa auch europäischen Regierens – beschäftigen und grundsätzliche Fragen nach Formen nicht nur institutionalisierten politischen Handelns aufwerfen. Dabei verschiebt sich das Interesse auch in Richtung einer „Anthropology of Policy“, die politische Praxis in erweiterten gesellschaftlichen Feldern und mit einem erweiterten Akteursbegriff untersucht. Das Seminar wird sich im Schwerpunkt mit diesen neueren Entwicklungen beschäftigen, aber auch einige der für das Verständnis dieser Entwicklung wichtigen Grundlagen anhand von exemplarischen Schlüsseltexten einbeziehen. |