Kommentar |
Im Jahr 1795 erscheint mit Xavier de Maistres „Reise um mein Zimmer“ („Voyage autour de ma chambre“) das Gegenmodell zu den Expeditionsberichten seiner Zeit: die Erforschung des eigenen Zimmers – und der eigenen Imagination – als welthaltiger Mikrokosmos. Dieser Text eröffnet im SE die Beschäftigung mit dem komplementären oder konfliktreichen Verhältnis zwischen Außenraum und Innenraum sowie zwischen Intérieur und dem Innenleben der darin lebenden Subjekte. Die Literatur des 19. Jhs. (Stifter, Keller, Fontane) konstruiert ihre bürgerlichen Innenräume auf eine detailversessene Weise, die ihre Raum-, Wissens- und Geschlechterordnungen lesbar macht, aber auch die möglichen Bedrohungen: Gegen welche Leere, gegen welche anderen Räume werden die Innenräume so umsichtig abgepolstert? Und welche Rolle spielen dabei Schreibtisch, Bücherschrank, Bett, Bilder, Spiegel, Tapeten, Vorhänge, Lampen? In literarischen Texten des frühen 20. Jhs. (Walser, Kafka, Musil) werden die Schauplätze zunehmend brüchig, was den Zusammenhang von Intérieur und Innerlichkeit nochmals forciert, den Edgar Allen Poe (in seinem Essay „Philosophy of Furniture“, 1840) und Walter Benjamin theoretisch durchdacht haben. |