Kommentar |
Europäische Esskulturen im Wandel. Regionale FoodScapes und neue urbane Gartenformen im Vergleich - mit Feldforschungen Regional geerdete Formen des Essens und Trinkens und die Stärkung lokal-regionaler Nahrungskreisläufe haben europaweit seit einigen Jahren einen regelrechten Siegeszug angetreten. Regions- und stadttypische Kulinarik-Typen sind dabei auf vielfältige Weise mit Identitätsbildungsprozessen und Wiedererfindungen des „Authentischen“ verbunden. Mancherorts wirken regionale FoodScapes zudem als Verstärker der „Eigenlogik der Städte“ - mit falltypisch forcierten Austauschbeziehungen zwischen Land und Stadt. Einen weiteren Schwerpunkt des Seminars bilden daneben kulinarische Grundtendenzen in den klassischen Fällen einer Wieder-Erfindung regionaler Küchentraditionen (Italien, Frankreich, Schweiz, Deutschland, und Ostdeutschland etc.). Sie werden ergänzt durch studentische Fallstudien zu den eigenen Herkunftsregionen. Die endgültige Auswahl der einschlägigen Regionalküchen entscheidet sich über die Zusammensetzung der TernehmerInnen des Seminars. Gleichzeitig entwickeln und verstärken sich seit einigen Jahren in den Metropolen neue spezifisch urbane Gartenkulturen und „Community Gardens". Ein neugieriger Blick auf diese aktuelle Gartenszenerie - gerade auch in und um Berlin herum (Pyramidengarten, Prinzessinnengarten, Gartenstudio, „Kochende Gärten" Steinhöfel) - wird mit kleinen Feldstudien den hier sprossenden „Gerichten für Großstadtpflanzen" nachgehen. Wissen und Praktiken dieser Garten-gebundenen Kulinarikformen und deren medial gestützte Vernetzungsdynamiken stehen dabei im Vordergrund. Parallel zur McDonaldisierung in der Fastfood-Kultur spürt das Seminar also den erstaunlichen Wiederbelebungen, teilweise nachgerade Neuerfindungen lokaler und regionaler Kulinarikformen in Europa nach. Ethnologisch und ethnographisch aufschlussreiche kulturelle Kodierungen und identitäre Suchbewegungen bestreichen dabei ein weites Feld: zwischen den Polen von lokalen und regionalen Essentialisierungen auf der einen Seite („terroir“-Prinzip, Herkunftsschutz, „Urküchen"-Bewegung, Slow Food) und neuen regionalen Hybridisierungen auf der ganz anderen Seite (Kalorientabellen-gestützte mediterran-asiatisch-mexikanische Urbaniten-Melangen etwa). Das Seminar eignet sich für fortgeschrittene StudentInnen wie für Studien-AnfängerInnen. Denn auf diesem 'existentiellen' Erfahrungfeld bringt jede und jeder einschlägige und konkrete Erfahrungen mit. |
Literatur |
- Gunther Hirschfelder (2001), Europäische Esskultur. Frankfurt/M,N.Y.: Campus - J.L.Flandrin, M.Montanari (1999), Food - A Culinary History, London:Penguin - Teuteberg, Hans J./Neumann, Gerhard/Wierlacher, Alois (Hrsg.) (1997): Essen und kulturelle Identität. Berlin - Massimo Montanari (2006), Food is Culture, New York: Columbia University Press- - Deutschlands kulinarisches Erbe (2004). Cadolzburg: Verlag Ars Vivendi - Martin Weiss (2005ff.), Urchuchi. Zürich: Rotpunktverlag - Carlo Petrini (2007), Gut,sauber und fair. Grundlagen einer neuen Gastronomie, Wiesbaden: Tre Torri -.John Dickie (2008), Delizia! Die Italiener und ihre Küche. Geschichte einer Leidenschaft. Frankfurt/M.:Fischer -.Elisabeth Meyer-Renschhausen (2004) Unter dem Müll der Acker. Community Gardens in New York City, Sulzbach: Ulrike Helmer Verlag - Ulf Matthiesen (2004), Esskultur und Regionale Entwicklung – unter besonderer Berücksichtigung von „Mark und Metropole“. In: Beate Binder, Astrid Deuber-Mankowsky (Hrsg.): Die Botschaft der Botschaften. Berliner Blätter, Heft 34, Berlin2004, S. 111-145 - Ulf Matthiesen (2005), Kulinarik und Regionale Entwicklung. Öffentliche Vorlesung der HU, Heft 144, Berlin, digital: http://edoc.hu-berlin.de -.Ulla Drenckhan (2010), Inseln im Straßenmeer. Community Gardens in New York und Berlin, in: Fensterplatz. Zeitschrift für Kulturforschung, 2010, S.82-90 |