Kommentar |
Das Erzählen von Geschichte, menschlichem Fortschritt und irdischer Schöpfungskraft rankt sich in zahlreichen Fällen um zentral gesetzte männliche Singulärgestalten – sogenannte Genies. Auch das geisteswissenschaftliche Wissen um 1900 bediente sich „Genies“ als Repräsentations- und Legitimationsfiguren, um bestimmte Inhalte zu protegieren und transportieren. Die dabei ‚erfundenen’ Zuschreibungen an Genies – wie Männlichkeit und Originalität, Europäizität/Westlichkeit und Weißsein, Phantasiebegabtheit und Spiritualität, aber auch Einsamkeit/Melancholie, Weltfremdheit, materielle Askese sowie ein Hang zur Psychopathie und zum Pathologischen – wurden im Verlauf des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts in filmische Ästhetiken und Narrationen des Genialen übersetzt. In transdisziplinärer Perspektive fragen wir im Seminar einerseits, mithilfe welcher symbolischer und geschlechterspezifischer Codierungen aus einem „großen Mann der Geschichte“ ein „Genie“ gemacht wurde und andererseits, welche Figuren das „Andere“/Negativ des „Genies“ gebildet haben. Entlang ausgewählter geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlicher Texte und Theorien zur Geniekultur zwischen 1890 und 1920 wird das komplexe Gewebe aus Historiographie, Wissens- und Wissenschaftsgeschichte(n), sozialem Körper und Geniefigurationen diskursanalytisch und mit transdisziplinärem Zugang untersucht. Die wissenschaftlichen Zuschreibungen an das Geniale werden zudem mit konkreten Visualisierungen von Genies in Spielfilmen von den frühen „Mad Scientist“-Filmen bis zu Perfume: The Story of a Murderer von 2006 konfrontiert. |