Kommentar |
"Europa lässt uns nicht träumen", sagt die feministische Philosophin Rosi Braidotti. Sie erinnert an die frühen Visionen der antifaschistischen und jüdischen Intellektuellen noch während und nach dem Zweiten Weltkrieg, die ein anderes, ein offenes Europa ohne Grenzen imaginierten - als Antwort auf die europäische Erfahrung von Gewalt und Krieg, Nationalismus, Rassismus und Totalitarismus. Was ist aus diesen Visionen geworden, die am Beginn des heutigen modernen Europas standen? Wo sind heute die sozialen Imaginationen, die uns über die Kritik an den Realitäten der Baustelle Europa - ihren äußeren und inneren Grenzen, ihren Ungleichheiten und Zumutungen - hinaus träumen und handeln lassen? Dieser Frage nach möglichen anderen Europas geht das Seminar nach - in der historischen Perspektive (vergessener) Utopien und in der Gegenwartsperspektive aktueller kritischer Interventionen und Entwürfe, wie sie auch derzeit an den Schnittstellen von Wissenschaft, Kunst, urbanen Subkulturen und politischem Aktivismus entstehen, aber auch an wesentlich unsichtbareren Orten wie dem Alltag der Migranten und Marginalisierten im Neuen Europa. In theoretischer Perspektive behandelt das Seminar die Wirkungen und Kräfte einer "sozialen Praxis der Imagination" (Arjun Appadurai) sowie die Frage nach dem Verhältnis zwischen Grenzerfahrung, Kritik und Utopie bzw. Heterotopie. Das Seminar bietet zugleich die Möglichkeit der Vorbereitung auf ein Studienprojekt, das sich ab dem Wintersemester 2010/11 mit solchen Formen praktizierter Imagination im Grenzraum Europa beschäftigen wird. |