Die zeitliche Dimension demokratischer Politik hat seit der Jahrtausendwende eine wachsende wissenschaftliche Aufmerksamkeit erfahren. Das Projektseminar widmet sich einem wichtigen Aspekt dieser Dimension, nämlich der Frage, welche Rolle die Vergangenheit in Form des (kollektiven) politischen Erinnerns für demokratische Prozesse und Systeme spielt. Kollektive Erinnerungen können nachhaltige Auswirkungen auf politische Entscheidungen und auf die Bildung und Stabilisierung politischer Identitäten von Gruppen und politischen Einheiten wie Staaten, Parteien oder soziale Bewegungen haben. Gleichzeitig sind kollektive Erinnerungen keine objektiv gegebenen Größen, sondern selbst Gegenstand politischer Auseinandersetzungen. Entsprechend fragt das Seminar sowohl danach, wie politische Erinnerungen entstehen, konstruiert und aufrechterhalten werden, als auch nach den politischen Funktionen und Wirkungen, die das kollektive Erinnern auf demokratische Entscheidungsprozesse und Systeme hat.
Das Seminar konzentriert sich im ersten Teil vor allem auf die Erschließung der einschlägigen Forschungsliteratur zu politischem Erinnern. Hierzu gehören u.a. Untersuchungen zu folgenden Fragen: Durch welche Bedingungen und Faktoren wird kollektives Erinnern in unterschiedlichen Politikfeldern ermöglicht und begrenzt? Wie nutzen Parteien bestimmte Interpretationen der Vergangenheit, um ihre Anhängerschaft zu mobilisieren oder zu vergrößern? Wie wirken sich historische Gewalterfahrungen von Gesellschaften auf politisches Wahlverhalten von Gruppen in der Gegenwart aus? Welche historischen (Fehl-)Wahrnehmungen von Krisen prägen die Problemwahrnehmungen politischer Entscheidungsträger? Welche Auswirkungen haben unterschiedliche Praktiken und Politiken des Erinnerns auf die Demokratiequalität?
Im zweiten Teil des Seminars widmen wir uns der Entwicklung, konzeptuellen Einbettung und methodischen Reflexion der Studienprojekte der Teilnehmenden. Den Ausgangspunkt hierzu bilden erste Entwürfe für Fragestellungen, die wir zum Ende des ersten Teils des Seminars aus der Diskussion der Forschungsliteratur und einschlägiger Theorien ableiten werden.
Die Veranstaltung wurde 1 mal im Vorlesungsverzeichnis SoSe 2025 gefunden: