Kommentar |
Ursprungsmythen (Kosmogonien) haben etwas Faszinierendes, mitunter Verstörendes, zuweilen auch Tröstendes. Sie begleiten die Menschheit von Beginn an und kommen in nahezu allen Weltregionen wie in mündlich tradierten religiösen Traditionen in zahlreichen Diversifikationen vor. Doch was unterscheidet die Kosmogonien im transnationalen und interreligiösen Vergleich und was verbindet sie? Welche Vorstellungen vom Kosmos und seiner Ordnung, vom Eigenen und Fremden, von Geschlechtlichkeit und sozialem Miteinander, von Natur- und Kulturverhältnissen wurden mit ihnen je entworfen? Und was können wir heute (noch) damit anfangen? Inwiefern ordnen sich die uns bekannteren monotheistischen Ursprungserzählungen hier ein – sind sie etwa besonders gewaltsam, wie Jan Assmann meint, weil es in ihnen nur einen einzigen Gott geben darf, die nicht in der Schöpfung, sondern außerhalb der Schöpfung existiert? Welche Geschlechtervorstellungen verknüpften sich mit der berühmten Paradieserzählung von Adam und Eva und wirken bis heute nach? Welche Ursprungsmythen gingen in Kolonialismus und Nationenbildungsprozesse und deren (gewaltsame) Homogenisierungsprozesse ein und befeuerten okkulte Phantasmen vom „Dritten Reich“? Lassen sich Logos und Mythos als klare Gegensätze verstehen oder finden sich auch kosmogonische Elemente auch in naturwissenschaftlichen Narrationen (etwa vom „Urknall“) wieder? Und welche theoretischen Einsätze führten schließlich im 20. Jahrhundert zur radikalen Infragestellung von Ursprungsmythen? Im Seminar werden wir gemeinsam eine Auswahl aus diesem breiten Spektrum von Fragestellungen treffen und uns einen ersten Zugang zum faszinierenden Thema der Ursprungsmythen und ihrer theoretischen Reflexion erarbeiten. |