Obwohl oder gerade weil Zeit eine grundlegende und unantastbare Konstante jeglicher Existenz darstellt, hat sie sich in jüngerer Zeit zunehmend zu einem umkämpftem Feld entwickelt. Politik, Wissenschaft, Medien und Kunst beschreiben die Gegenwart immer häufiger in Tropen multipler Krisen, Katastrophen, Massenaussterben und dem Ende der Welt. Populäre Topoi wie das Anthropozän haben sich längst in zeitgenössische Diskurse eingeschrieben und prägen Perspektiven auf globalen Verhältnisse. Obwohl die kolonialrassistischen Machtachsen und Auslassungen dieser Debatten bereits offengelegt wurden, werden Vorstellungen vom Anthropos und dem Ende der Welt in zeitgenössischen Diskursen weiter heraufbeschworen und apokalyptische Lesarten der Gegenwart fortgeschrieben. Auch wenn es hinsichtlich der Klimakrise keinen Grund zur Entwarnung gibt, machen dekoloniale Zugriffe deutlich, dass die Dominanz apokalyptischer Erzählungen mehr bedeutet als ein objektiver Modus des Beschreibens. Kritische Lektüren illustrieren, dass endzeitliche Narrative in der Gegenwart häufig dazu tendieren, koloniale Hegemonien und moderne Vorstellung von Zeitlichkeit und Geschichte zu reproduzieren und westlich teleologische Lesarten fortzuschreiben. Dies habe zur Folge, dass diese Zugriffe auf planetarische Krisenverhältnisse die Dominanz bestimmter Subjekte und Interpretationen der Welt festschreiben, während andere marginalisiert oder ganz aus der Erzählung herausgeschrieben werden. Ein dekolonialer Ansatz ermöglicht, die epistemischen Dimensionen von Zeitlichkeit in zeitgenössischen Interpretationen der Gegenwart zu verstehen. Davon ausgehend untersucht das Tutorium Zeit aus verschiedenen Perspektiven und versucht mit Hilfe dekolonialer Lektüren die unterschiedlichen Dimensionen von Zeitlichkeit in gegenwärtigen Debatten zu verstehen. Ziel ist es, eine kritische Sensibilität dafür zu entwickeln, wie Konzepte von Zeit aktiv beeinflussen, welche Perspektiven auf Geschichte und Zukunft möglich sind.
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