“Food is code”, so die Ethnologin Mary Douglas: Lebensmittel und Ernährung sind nicht nur eine Frage der Physiologie, sondern spielen auch wichtige kulturelle, gesellschaftliche und historische Rollen. Ausgehend von dieser Beobachtung widmet sich dieser interdisziplinäre Kurs der Geschichte des Zuckers seit dem 17. Jahrhundert. Zucker ist ein Grundnahrungsmittel, das unseren Alltag auf vielfältige Weise durchdringt. Wir begegnen ihm nicht nur in Lebensmitteln und Getränken, sondern auch in Literatur und Wissenschaft, in Alltagskultur und Politik. Der Kurs nimmt das Thema Zucker aus literatur- und geschichtswissenschaftlicher Sicht in den Blick und widmet sich den am Motiv und Objekt Zucker verhandelten Begehrensökonomien und (post-)kolonialen Verwicklungen. Wir fragen nach dem Zusammenhang von Zucker und Sklaverei, nach Konsum und Geschlechterverhältnissen. Wir beschäftigen uns mit den Boykottbewegungen gegen Zucker aus Sklavenarbeit im Kontext des Abolitionismus, also der Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei im 18. und 19. Jahrhundert. Wir untersuchen, wie der Verzicht auf Zucker zu einem wichtigen Mittel des politischen Protests wurde; welche Rolle insbesondere Frauen in diesen Boykotten spielten; und problematisieren den Zusammenhang von Moral und Konsumverzicht. Darüber hinaus betrachten wir literarische Darstellungen der Zuckerproduktion in der Kinder- und Jugendliteratur; gehen dem Phänomen des Süßen in der Gattungsgeschichte der Idylle nach; fragen nach der Verbindung zwischen dem an das “Naschwerk” gebundenen Entsagungsprinzip im poetischen Realismus und dem in den 1970er Jahren entwickelten psychologischen Konzept des Belohnungsaufschubs im “Marshmallowtest”; und erkunden die komplexen Geschichten der mesoamaerikanischen Schokolade und des italienischen gelato.Hinweise zur Teilnahme: Es wird die Bereitschaft zur Lektüre von englischsprachiger Forschungsliteratur vorausgesetzt. Als Arbeitsleistung ist für die Studierenden der deutschen Literatur eine kleine schriftliche Ausarbeitung (Thesenpapier/Mini-Essay) vorgesehen.
Die Veranstaltung wurde 3 mal im Vorlesungsverzeichnis WiSe 2024/25 gefunden: