Obwohl der sozialistische Realismus zumeist mit der sowjetischen Literatur der Stalinzeit in Verbindung gebracht und der Begriff häufig pejorativ in Bezug auf die als Instrument der Indoktrination missbrauchte Literatur verwendet wird, der die modernistische Poetik zugunsten einer realistischen Verständlichkeit ausgetrieben wurde, war der sozialistische Realismus kein statisches Paradigma der Kanonisierung von Literatur, sondern unterlag poetologischen und inhaltlichen Transformationen. Im Seminar befassen wir uns mit dem ästhetischen Programm des sozialistischen Realismus von seiner Etablierung als verbindliche Kunstrichtlinie bis zur Erosion des Kanons in der Spätsowjetzeit und untersuchen dessen Postulate und Stilformation, Masterplot und typische Merkmale, Tropen, Figuren und Motive in verschiedenen Gattungen. Wir lesen repräsentative (konforme und unorthodoxe) Literaturwerke aus verschiedenen Perioden (Maksim Gorkij, Nikolaj Ostrovskij, Il’ja Ėrenburg, Daniil Granin u.a.), programmatische Texte sowie kanonkritische Gegenpositionen (Vladimir Nabokov, Andrej Sinjavskij, Vladimir Pomerancev u.a.) und betrachten die Umsetzung des Sozrealismus in ausgewählten sowjetischen Filmen.
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