Kommentar |
Der Abbau von Rohstoffen, der in Europa im Zuge der industriellen Revolution im großen Stil gefördert und ausgebaut wurde, war und ist die Grundlage für politische, ökonomische und gesellschaftliche Entwicklungen der Neuzeit. Ob Öl, Kohle oder Erdwachs – all diese Rohstoffe wurden in unter- oder überirdischen Minen und Gruben teilweise bereits seit dem 18. Jahrhundert mittels extraktiver Methoden gefördert, was riskante Arbeitsbedingungen für viele Arbeitende und raschen Reichtum für meist einige wenige Investoren implizierte. Viele dieser extraktiven Zonen der Neuzeit befanden sich in Mittel- und Osteuropa (bspw. Galizien, Schlesien, Donbas) und kennzeichneten sich durch Peripheralität sowie eine ihnen implizite multiethnische und multilinguale Situation.
Im Seminar werden wir literarische und filmische Repräsentationen dieser Regionen analysieren und ergründen, welche Narrative, Topoi und Symboliken jene extraktiven Zonen hervorbrachten. Dabei besprechen wir Konzepte, die den aktuellen Diskurs der Environmental Humanities hinsichtlich Extraktivismus prägen (u.a. petrofiction, petromodernity, petro-masculinity, energy humanities) und fragen auch danach, wie zeitgenössische/r Film und Literatur den Bedeutungsverlust ehemaliger extraktiver Zonen diskutiert.
Unser Lektürekorpus umfasst theoretische Texte zu den Zusammenhängen zwischen Literatur und der Extraktion von Rohstoffen (darunter Imre Szeman, Dominic Boyer, Elizabeth C. Warren, Cara Daggett) sowie polnische, tschechische, ukrainische, deutsche und russische Prosatexte, Gedichte und Filme aus dem 19.-21. Jahrhundert. Fast alle Texte und Filme sind in englischer oder deutscher Übersetzung vorhanden. Textstellen, die nur im Original verfügbar sind, können als spezielle Leistung (als Ersatz für andere Seminarleistungen) von jenen Teilnehmenden, die die jeweilige Sprache beherrschen, übersetzt und der Gruppe zur Verfügung gestellt werden.
Bitte lesen Sie sich in die Geschichte der Regionen, die wir besprechen, vor dem Seminar ein (Galizien, Oberschlesien sowie Teschener Schlesien, Donbas). Hierfür empfehle ich:
Für Galizien: Fleig Frank, Alison (2022): Oil Empire. Visions of Prosperity in Austrian Galicia. Cambridge, MA: Harvard University Press. Für Oberschlesien und Teschener Schlesien: Bahlcke, Joachim, Dan Gawrecki und Ryszard Kaczmarek (2015): Geschichte Oberschlesiens. Politik, Wirtschaft und Kultur von den Anfängen bis zur Gegenwart, München: De Gruyter Oldenbourg. Smolotz, Dawid und Marcin Kordecki (2019): Schauplatz Oberschlesien. Eine europäische Geschichtsregion neu entdecken, Paderborn: Schöningh. Für Donbas: Kuromiya, Hiroaki (1998): Freedom and Terror in the Donbas: A Ukrainian-Russian Borderland, 1870s-1990s. Cambridge: Cambridge University Press. Zabirko, Oleksandr (2023): The Donbas: A Region and a Myth. In O. Palko & M. Férez Gil (Ed.), Ukraine's Many Faces: Land, People, and Culture Revisited (pp. 331-344). Bielefeld: transcript. https://doi.org/10.1515/9783839466643-033 |