Durch welche Merkmale zeichnet sich Wissenschaft gegenüber anderen, nichtwissenschaftlichen Praktiken aus? Eine in der Wissenschaftsphilosophie besonders intensiv diskutierte Abgrenzung ist die zur „Pseudowissenschaft“, also zu einer Praxis, die sich fälschlich als Wissenschaft ausgibt. Unter dem „Demarkationsproblem“ wird seit Popper das Problem verstanden, ein generelles Kriterium zu finden, das Wissenschaft und Pseudowissenschaft unterscheidet. Diese Suche hat sich als verblüffend schwierig erwiesen. Poppers eigenes Kriterium – „Wissenschaft muss an der Erfahrung scheitern können“ – gilt als an der Wissenschaftspraxis gescheitert. Es ließ sich nicht hinreichend präzisieren und schloss überdies alle nichtempirischen Wissenschaften aus. Seither sind viele andere Kriterien ausprobiert worden (Literaturhinweis s. u.).
Im Seminar soll aber nicht nur die Abgrenzbarkeit der Wissenschaft zur Pseudowissenschaft, sondern auch zu anderen Verwandten erörtert werden: zum Alltagsverstand, zur Weltanschauung, zum Aberglauben, zu religiösen Überzeugungen, zu Verschwörungstheorien. Denkbar ist auch die Behandlung einer oder zweier Fallstudien. Zu den üblichen Verdachtsfällen auf Pseudowissenschaft gehören Astrologie, Parapsychologie, Kreationismus, Psychoanalyse.
Das Abgrenzungsproblem lädt zu einer Reihe von metaphilosophischen Fragen ein: Woran bemisst sich die Angemessenheit oder Unangemessenheit einer Wissenschaftsdefinition? Gehört der Wissenschaftsbegriff zu denen, die sich über notwendige und gemeinsam hinreichende Bedingungen definieren lassen? Ist „Wissenschaft“ eine natürliche Art? Ist die Unterscheidung zwischen Wissenschaft und Nichtwissenschaft kategorisch oder eine Sache des Grades? Ist die Rede von der Wissenschaft im Singular sinnvoll? Werden die einzelnen Wissenschaften vielleicht durch Familienähnlichkeit zusammengehalten? Welche Rolle spielt historische Variabilität? Und nicht zuletzt: Ist auch die Philosophie eine Wissenschaft?
Die Teilnahme am Seminar schließt die Bereitschaft ein, in einer Arbeitsgruppe mitzuarbeiten, die gemeinsam ein Unterthema erarbeitet oder einen Text der Lektüreliste vorstellt. Es wird ein Moodlekurs eingerichtet, über den die Seminarliteratur zur Verfügung gestellt wird. Zur Vorbereitung auf das Seminar bitte diesen Überblicksartikel von Sven Ove Hansson lesen: „Science and Pseudo-Science“, https://plato.stanford.edu/entries/pseudo-science/.
Die Veranstaltung wurde 20 mal im Vorlesungsverzeichnis WiSe 2024/25 gefunden: