Kommentar |
Genaue Termine: 15.10., 22.10. und 29.10. jeweils von 12 bis 16 Uhr; FR 1.11. ab 17:30 Uhr; SA 2.11. von 10 bis 18 Uhr; 12.11. von 10 bis 16 Uhr; FR 15.11. ab 13:30 Uhr im MEK Dahlem
In den letzten Jahren hat der öffentliche Diskurs über Endometriose durch Selbsthilfegruppen, Ratgeberliteratur, Alternative Medizin, Social Media-Präsenzen und populäre Internetformate in Deutschland an Fahrt aufgenommen. Das aktuell vermehrte Interesse folgt auf eine lange Periode der systemischen Unterbelichtung dieser häufig als ‚Frauenkrankheit‘ mit diffusem Symptombild deklarierten Problematik. Aber noch immer ist die Forschung zum Thema in Medizin/Gynäkologie, Medizingeschichte, Psychologie, Soziologie, Ökotrophologie, Kulturwissenschaft, Medienwissenschaft und in der Geschlechterforschung unterfinanziert. Niedergelassene und stationär praktizierende gynäkologische Mediziner*innen monieren ein unzureichendes Wissen über Ätiologie, Nosologie, Differentialdiagnostik und Therapieformen der Endometriose (von Schmerzmanagement-, über Hormontherapien, Operationen bis hin zu Ernährungsempfehlungen).
Mögliche Gründe für eine schleppende Adressierung liegen in der anhaltenden Tabuisierung der Felder weiblicher Unterleib und Uterus/Gebärmutter(schleimhaut), Menstruations- und Zyklusbeschwerden, die weit zurückreichende historische Vorläufer haben. Diese hängen erstens mit der ambivalenten Medizin-, Religions- und Kulturgeschichte des Blutes zusammen, die weibliches Zyklusblut zum einen als ‚unrein‘, zum anderen als gefährlich charakterisiert hat, da Menstruation die weibliche Potenz, Leben zu geben, verkörpert. Zweitens liegen Vorläufer in der Geschichte der Menarche und der Menopause, die auch mit der Historie der Hormone zusammenhängen. Und drittens gibt es einen Konnex zur Geschichte anderer ‚typischer Frauenkrankheiten‘, allen voran das Symptombild der weiblichen „Hysterie“, das in Teilen in der medizinischen und sozialen Wahrnehmung der Endometriose wiederzukehren scheint. Es gibt jedoch auch gravierende Unterschiede: Während weibliche „Hysterie“ sich als höchst expressives Spektakel äußerte, wird Endometriose heutzutage tendenziell als mysteriöses inneres Drama konzeptualisiert, bei dem hormonelle Aktivitäten und Wucherungen zentralstehen – es gilt als von außen unsichtbar und durch den medizinischen Blick nicht vollständig kontrollierbar.
Das Seminar widmet sich dem Nexus von Medizin- und Kulturgeschichte der Endometriose und verwandter ‚weiblicher‘ Krankheitsbilder, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf die sprachlichen Rhetoriken, medizinischen Visualitäten und Formen des Sehens, Wahrnehmens und Erkennens sowie auf (Apparate-)Technologien (Sonographie/Ultraschall, Endoskopie, Bauchspiegelung, MRT, Photographie) und involvierte kommunikative Medialitäten (Ausstellungen, Podcasts, Lehr-, Dokumentar- und Spielfilme) gelegt wird. Zudem werden künstlerische und popkulturelle Spiegelungen der Endometriose kritisch analysiert, in denen sich Schnittstellen zur Ideen- und Affektgeschichte sowie Faszinations- und Angstgeschichte zeigen.
Am 1. und 2. November 2024 findet ein Workshop mit auswärtigen Gästen im Rahmen des Seminars statt.
Bitte kommen Sie bei Interesse zur ersten Sitzung am 15. Oktober und melden Sie sich nach Möglichkeit vorher per Mail an bei Britta Lange: britta.lange@culture.hu-berlin.de |