Kommentar |
Die Begegnung des jungen Francesco Petrarca mit einer gewissen Laura im Jahr 1327 in Avignon ist durchaus als schicksalhaft zu bezeichnen, inspirierte sie doch den 23jährigen Dichter zu einer Sammlung von immerhin 366 Sonetten und Kanzonen, den Rerum vulgarium fragmenta, auch bekannt als Canzoniere. Neben den sechs längeren Trionfi und weiteren verstreuten Gedichten (rime estravaganti) war es vor allem die reichhaltige Fundgrube des Canzoniere, die zu einer Fülle musikalischer Umsetzungen einlud. Zunächst jedoch sind im 14. und 15. Jahrhundert – in Ermangelung eines adäquaten musikalischen Formmodells – nur wenige Vertonungen von Petrarcas Dichtungen erfolgt, etwa Jacopo di Bolognas Madrigal Non al suo amante più Diana piacque oder Guillaume Dufays Vergine bella. Erst die Druckausgabe des Canzoniere von Pietro Bembo im Jahr 1501 machte Petrarcas Dichtungen leichter verfügbar und leitete so den europäischen Petrarkismus ein. Dieser äußerte sich in einer wahren Flut an Madrigalkompositionen auf Texte Petrarcas im 16. Jahrhundert (bspw. durch Adrian Willaert, Cipriano de Rore, Giaches de Wert oder Claudio Monteverdi), an deren Stelle im 17. Jahrhundert verstärkt solistische Vertonungen (etwa von Jacopo Peri oder Sigismondo d’India) traten. Eine zweite Blüte erlebte der Petrarkismus, angeregt durch die Klopstock-Ode Petrarca und Laura (1748), in Form von Kompositionen wie Johann Friedrich Reichardts Kleinen Klavier- und Singstücken, Joseph Haydns Konzertarie Solo e pensoso. Die weitere musikalische Auseinandersetzung mit Petrarcas Lyrik führt über Liedvertonungen Franz Schuberts, Franz Liszts, Arnold Schönbergs und Wolfgang Rihms bis in die neueste Musikgeschichte. Darüber hinaus finden sich Zitate und inhaltliche Anlehnungen in zahlreichen musikdramatischen Werken. Ziel des Seminars ist es, ausgehend von Petrarcas dichterischem Werk und dem darin artikulierten Musikverständnis die inzwischen über fast 600 Jahre andauernde Tradition der Petrarca-Vertonung näher zu betrachten und dabei die kompositorischen Herangehensweisen und jeweils wechselnden Perspektiven auf die Dichtungen herauszuarbeiten. |
Literatur |
Francesco Petrarca, Canzoniere, Triumphe, Verstreute Gedichte. Italienisch und Deutsch, hrsg. von Hans Grote, Düsseldorf 2002
Joachim Steinheuer, Art. „Petrarca, Francesco“, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, New York u. a. 2016 ff., zuerst veröffentlicht 2005, online veröffentlicht 2016
Weiterführende Literatur:
Achim Aurnhammer (Hrsg.), Francesco Petrarca in Deutschland. Seine Wirkung in Literatur, Kunst und Musik, Tübingen 2006 (Frühe Neuzeit 118)
Bernardo, Aldo S. (Hrsg.), Francesco Petrarca, citizen of the world, Padua u. a. 1980
Mechthild Caanitz, Petrarca in der Geschichte der Musik, Diss., Freiburg i. Br. 1966
Andrea Chegai und Cecilia Luzzi (Hrsg.), Petrarca in musica, Lucca 2005
Francesco Facchin, „Petrarch and his time“, in: Polifonie 4/2 (2004), S. 55–57
Sergio Ferrarese, Le metamorfosi del mito di ‚Orfeo‘ nella letteratura e nel melodramma italiano, Chapel Hill 2005
John D. Haines u. a. (Hrsg.), Music and medieval manuscripts. Paleography and performance. Essays dedicated to Andrew Hughes, Aldershot, Hants, England 2004
Bernhard Huss u. a. (Hrsg.), Petrarchan Passions. Affects and Community-Formation in the Renaissance World, FU Berlin 2022
Bernhard Janz, Die Petrarca-Vertonungen von Luca Marenzio. Dichtung und Musik im späten Cinquecento-Madrigal, Zugl.: Frankfurt (Main), Univ., Diss., 1987, Tutzing 1992
Marjorie Sue Kleimann, Renaissance settings of selected texts of Petrarch, Diss., Bloomington, Ind. 1979
Jon. Newsom, Francesco Petrarca. Musical Settings of His Works From Jacopo da Bologna to the Present, a Checklist, Washington, Library of Congress 1974
Wolfgang Osthoff, Petrarca in der Musik des Abendlandes. Eine Betrachtung zum Sprachethos der Musik, Amsterdam 1954 (Castrvm Peregrini 20.1954)
Reiner Speck und Florian Neumann (Hrsg.), Francesco Petrarca 1304–1374. Werk und Wirkung im Spiegel der Biblioteca Petrarchesca, Köln 2004
Sara Springfeld, Modi di cantar sonetti. Italienische Sonettvertonungen bis ins 17. Jahrhundert, Dissertation, Heidelberg 2018
Sara Springfeld u. a. (Hrsg.), Das Sonett und die Musik. Poetiken, Konjunkturen, Transformationen, Reflexionen, Heidelberg 2016 (Beiträge zur neueren Literaturgeschichte 320) |