„… für Theater ist die Diktatur auf jeden Fall eine bessere Folie. […] Mein französischer Übersetzer […] sagte, früher habe es ein Dreieck gegeben: Die Macht, das Theater und das Publikum. Nun ist die Macht weggefallen. Jetzt gibt es nur noch Markt.“ So formuliert es einer der wichtigsten Dramatiker der DDR. Darin steckt die bekannte Behauptung, dass dieses nicht mehr existente Land eine „Bühnenrepublik“ war, weil in ihr die Dramatik und die Theaterpraxis der DDR für diesen Staat, seine Führung und seine Bewohner von besonderer Bedeutung waren, sie besonders ernst genommen wurden und – auch aufgrund der besonderen Entstehungsbedingungen – Kunstwerke besonderer Qualität hervorgebracht haben. Auch steckt darin die Behauptung, dass mit dem Untergang dieser Theaterlandschaft und Dramatik etwas verloren gegangen ist. Wir werden diskutieren, inwiefern beide Behauptungen zutreffen. Um das zu untersuchen, werden wir vor dem Hintergrund historischer und kulturpolitischer Einordnungen eine beträchtliche Anzahl an in der DDR gespielten oder geschriebenen Dramentexten lesen und analysieren. Ein wichtiger Seitenblick wird zudem der Theatergeschichte des untergegangenen Staates gelten. Das bedeutet, dass wir Stücke von (u.a.) Brecht, Peter Hacks oder Heiner Müller lesen, zudem aber auch Ausschnitte wichtiger Theaterinszenierungen sehen und reflektieren werden. Darüber hinaus werden auch literatursoziologische Fragestellungen zum Verhältnis von Kunst und Gesellschaft zur Sprache kommen.Dabei versteht sich das SE einerseits als Einführung in die Dramenanalyse – wir werden also lernen und üben, wie man dramatische Texte strukturiert liest und analysiert. Auch möchte es in Grundbegriffe der Theaterwissenschaft einführen, die uns das Sprechen über diesen transitorischen Gegenstand erleichtern wird. Zuletzt möchte es den Blick für die historischen Ermöglichungsbedingungen künstlerischer Produktionen schärfen. Jenseits der Wissenschaft soll das SE auch Lust machen, sich mit literarischen Texten zu befassen und Theateraufführungen zu besuchen. Bei Interesse würde ich das Seminarangebot darum gerne mit einem gemeinsamen Theaterbesuch abrunden. Als Seminarleistung wird eine kleine schriftliche Arbeit (Exzerpt) verlangt sowie gründliche Lektüre der Texte und aktive Mitarbeit. Referate wird es nicht geben.
- Irmer, Thomas / Schmidt, Matthias: Die Bühnenrepublik. Theater in der DDR. Ein kurzer Abriß mit längeren Interviews. Hgg. v. Wolfgang Bergmann. Berlin 2003. / Bonn 2006- Müller, Heiner: Krieg ohne Schlacht. Leben in zwei Diktaturen. Eine Autobiographie. Hgg. v. Frank Hörnigk. Erweiterte Neuausgabe. Köln ²2010. (Zitat oben: S. 402)
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