Schuld wie Schulden fordern eine (oft als übermächtig empfundene) Strafe des Schicksals und/oder die adäquate ökonomische Rückzahlung. Ob man sein eigenes Schicksal, das oft auch (ob reiche Erbschaft oder Untergang eines Handelsschiffes) ein ökonomisches ist, verdient hat oder nicht, ist eine grundlegende Frage unserer (Leistungs-)Gesellschaft seit dem 18. Jh. Mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht, der Abschaffung der Adelsprivilegien und der Etablierung sozialer Sicherungssysteme sollen schicksalhafte Ungerechtigkeiten durch Verdienst und Leistung ausgeglichen werden können. Solch lebens-ökonomische Fragen bilden zudem grundlegende Konstellationen von literarischen Geschichten. Wer welches Schicksal aufgrund welcher Schuld(en) hat und ob er oder sie es verdient hat, ist nicht allein eine Frage der poetischen Gerechtigkeit, sondern wird in der Neuzeit zugleich häufig im Medium des Ökonomischen verhandelt. Diesem Kreuzungspunkt zwischen sozialer und poetischer Gerechtigkeit vor dem Hintergrund historischer Transformationen der Begriffe Schuld, Schulden, Bankrott und Schicksal wollen wir uns im SE zuwenden, indem wir diese Phänomene vom 18. bis zum frühen 20. Jh. verfolgen.Die Studienleistung besteht in der regelmäßigen Teilnahme und Mitarbeit im SE und der Übernahme einer AG.
Wir lesen zum einen theoretische Texte, etwa über den Zusammenhang von Schicksal, Ökonomie und Willen (Gottfried Herder) oder den von Schicksal und Charakter (Walter Benjamin) sowie Texte zu historischen Hintergründen des ökonomischen Diskurses im 18. und 19. Jh., vor allem aber literarische Texte von Dusch (Der Bankerot), Lessing (Minna von Barnhelm), Kotzebue (Der Opfertod), Lenz (Zerbin), Schiller (Der Verbrecher aus verlorener Ehre), Stein (Die zwey Emilien), Kleist (Der Findling), Chamisso (Schlemihl) sowie Texte des Vormärz‘ und Droste-Hülshoff (Die Judenbuche), Keller (Die Leute von Seldwyla), Storm (Carsten Curator) bis zu Reventlow (Der Geldkomplex).Literatur zur Einführung: Ralph Schrader: Verdienst, Erfolg, Gerechtigkeit. Zum Problem der ökonomischen Gerechtigkeit. In: Michael Corsten, Hartmut Rosa u.a. (Hg.): Die Gerechtigkeit der Gesellschaft, Wiesbaden 2005, S. 101-125.
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