Als Re-Reenactment oder Remake, als Kopie oder Zitat, als Spiegelung oder Echo: diverse Wiederholungsformeln sind uns aus den narrativen und bildenden Künsten allseits bekannt. Die Wiederholung gilt als Basisverfahren in der Lyrik (z.B. auf der Ebene des Reims und des Rhythmus) und als ein formales und strukturierendes Element in der Architektur und im Tanz. In der Dramentheorie ist das Wiedererkennen zweier handelnder Figuren ein wichtiger Bestandteil der Peripetie und wird als Anagnorisis bezeichnet (Aristoteles). In der bildenden Kunst hat sich die Wiederholung im Zuge der Industrialisierung und der Standartanfertigung von Waren als ein eigenständiges ‚Konzept‘ etabliert und eine neue Ästhetik der ‚Serialität‘ hervorgebracht (Andy Warhol).
In der Literatur fallen Wiederholungen hingegen oft eher negativ auf: sie gelten entweder als stilistischer Lapsus oder scheinen, aufgrund des herrschenden Originalitätsgebots, gar 'verboten' zu sein. Tatsächlich mindert es aber nicht ihre Funktion, als eigenständiges sinngenerierendes poetisches Element verstanden und als textstrukturierende Einheit eingesetzt zu werden (V. Šklovskij/ J. Lotman) Im Gegenteil: Dem Konzept der Wiederholung scheint ein magischer Reiz innezuwohnen, der die Künstler:innen dazu bringt, mit Spiegel- und Doppelgängermotiven zu arbeiten (Dostoevskij), Werke anderer Autoren nachzuahmen oder zu kopieren (Lu Xun), und über die Möglichkeit einer solchen Wiederholung – mit und ohne Abweichung – nachzudenken (Borges).
Das Seminar lädt dazu ein, das Wiederholen als symbolische Denkform in vergleichender Perspektive zu betrachten: mit ausgewählter Lektüre und Sichtung von fiktionalen Werken (inkl. Kira Muratova und Varlam Šalamov) und einem starken Fokus auf theoretischer Lektüre (Friedrich Nietzsche, Søren Kierkegaard, Gilles Deleuze).
Literatur zur Einführung:
Röggers, Kurt & Schmitz-Emans, Monika (Hg.): Spiegel. Echo. Wiederholungen. Essen 2008; Pütz, Peter: Wiederholung als ästhetisches Prinzip. Bielefeld 2004; Csúri, Károly & Jacob, Joachim (Hg.).: Prinzip Wiederholung. Zur Ästhetik von System- und Sinnbildung in Literatur, Kunst und Kultur aus interdisziplinärer Sicht. Bielefeld 2015; Hilmes (et al.) (Hg.) Dasselbe noch einmal : die Ästhetik der Wiederholung. Opladen 1998; Kalu, J.K.: Ästhetik der Wiederholung : die US-amerikanische Neo-Avantgarde und ihre Performances. Bielefeld 2014.
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