Das Lautarchiv stellt eine weltweit einzigartige Audiosammlung dar, die u.a. aus Tonaufnahmen des Ersten Weltkrieges besteht. Sie entstanden in deutschen Kriegsgefangenlagern, wobei sich die Soldaten in einer prekären Zwangssituation befanden. Es ist nicht nachvollziehbar, inwiefern die aufgezeichneten Personen ihr Einverständnis zur Aufzeichnung gegeben haben. Daher ist ein sensibler Umgang mit der Sammlung unabdingbar. Ursprünglich wurden die Aufnahmen für phonetische und linguistische Forschungszwecke angefertigt. Dabei standen sprachwissenschaftliche Erkenntnisse und
das Sammeln von möglichst vielen Sprachen im Vordergrund. Aktuelle kulturwissenschaftliche und historische Forschungen zum Lautarchiv befassen vermehrt mit den Inhalten des Gesagten und ihrer Bedeutung.
Das Seminar soll einen Einstieg in zwei zentrale Forschungsansätze zu den Kriegsgefangenaufnahmen bieten. Im Fokus stehen ca. 450 Aufnahmen, deren Sprecher aus afrikanischen Ländern stammten. Grundlage für die Auseinandersetzung mit den Tonaufnahmen sind die Arbeiten von Anette Hoffmann und Britta Lange.
Sie haben das Konzept des „close listening“ entwickelt. Hierbei werden alle hörbaren Aspekte wie Stimme(n), Pausen und Hintergrundgeräusche interpretiert. Das Seminar lädt
Teilnehmende dazu ein, sich kritisch mit der Methodik und Praxis des Hörens zu befassen: Wo sind etwaige Schwachstellen in der gegenwärtigen archivalischen Dokumentation? Was haben die Gefangen tatsächlich gesagt? Wie kann Unausgesprochenes greifbar gemacht werden? Was passiert, wenn die Stimmen des Archivs in der Gegenwart zum Leben erwachen? Die Fragen nach Resozialisation, Repatriierung/-matriierung und Restitution soll im Hinblick auf Theorie und Praxis diskutiert werden.
Listening to Colonial Histories
The Lautarchiv is a worldwide, unique audio collection of sound recordings from WWI. They were produced in German prisoner-of-war camps, where the soldiers found themselves in a precarious, coercive situation. It is not known to what extent the persons recorded consented to the recording. Therefore, a sensitive handling of the collection is necessary. Initially, the recordings were made for phonetic and linguistic research purposes. The focus was on linguistic findings and collecting recordings from as many languages as possible. Current cultural studies and historical research on the Lautarchiv are increasingly concerned with the content of what is said and its meaning.
The seminar offers an introduction into the diverse research landscape on prisoner-of-war recordings by focusing on more than 450 recordings whose speakers came from African countries. Selected voices will be heard together and analysed in the context of their socio-cultural significance. This seminar builds on the research of Anette Hoffmann and Britta Lange. They developed the concept of "close listening", where all audible aspects, such as voice(s), pauses and background noises, are interpreted. The seminar invites participants to engage critically in the practice of listening: What can the Lautarchiv still learn in general for a sufficient documentation of the recordings? What did the prisoners actually say? How can the unspoken be made tangible? What happens when the voices of the archive come to life in the present?
|