Kommentar |
Im 1830 erschienenen Roman Le Rouge et le Noir stellt Henri Beyle – besser bekannt unter seinem Nom de Plume Stendhal – den Werdegang des ehrgeizigen und (politisch) leidenschaftlichen Julien Sorel, Sohn eines Sägemühlenbetreibers aus der Franche-Comté, dar. Zwar schafft Julien den gesellschaftlichen Aufstieg in Paris durch die Anstellung als Sekretär im Hause des Marquis de La Mole, jedoch führen die gesellschaftlichen Strukturen und die intersubjektiven Beziehungen, die seinen Aufstieg ermöglichten, letztlich auch zu seinem frühen Tod. 150 Jahre später, adaptiert der Regisseur Paul Schrader den Stoff aus Stendhals Roman im Film American Gigolo (1980). Darin spielt der damals noch unbekannte Richard Gere den, von Giorgio Armani ausgestatteten, Callboy Julian Kaye im Los Angeles der späten 1970er Jahre. Sowohl Stendhals Julien wie auch Schraders Julian zeichnen sich durch den Bruch mit der Darstellung von klassischer, normativer Männlichkeit aus. Die Protagonisten sind Beispiele für Charaktere, deren Männlichkeit in körperlicher, gesellschaftlicher und psychodynamischer Hinsicht fragil ist und deren Identität in prekärer Abhängigkeit von gesellschaftlicher Anerkennung steht, die sie über macht- und emotionsdynamisch komplexe, intersubjektive Beziehungen zu weiblichen Figuren erwerben. Im Seminar befassen wir uns mit den Problemen und Chancen dieser und weiterer, alternativer Figuren von Männlichkeit, die im Gegensatz zum klassischen Bild des körperlich, intellektuell und psychisch unverletzbaren Mannes stehen.
Im ersten Teil des Seminars setzen wir uns mit philosophischen, politischen und psychoanalytischen Konzeptionen von Männlichkeit auseinander. Dabei erörtern wir insbesondere Probleme der Herausbildung eines Selbstbewusstseins (Hegel, Robert B. Pippin), (männlicher) Identität (Carol Gilligan) und beleuchten Machtdynamiken (Jessica Benjamin), in deren Verlauf Männlichkeit traditionell gegen das emotionale, verwundbare und nicht-öffentliche „Weibliche“ entworfen wurde. Im zweiten Teil setzen wir uns mit der Darstellung fragiler männlicher Figuren in Literatur und Film, insbesondere mit Repräsentationen aus dem spanischsprachigen Kulturraum, auseinander.
WICHTIGE HINWEISE:
- Es handelt sich um ein lektüreintensives Seminar. Bitte bedenken Sie dies bei der Wahl.
- Bitte erwerben und lesen Sie vor Beginn des Sommersemesters Stendhals Roman. Ich empfehle Ihnen:
Le Rouge et Le Noir. Préface de Jean Prévost. Gallimard, Folio classique. 2000 oder die deutsche Übertragung:
Rot und Schwarz. Chronik aus dem 19. Jahrhundert. übers. v. Elisabeth Edl. Hanser. München 2004. |