Kommentar |
Das Bild des Mittelalters als eines „dunklen“, durch die „leuchtenden“ Epochen der Antike und Renaissance ausgeklammerten Kapitels der Christentumsgeschichte gehört zu den selbstverständlichen Grundannahmen des modernen Geschichtsverständnisses und lebt bisweilen auch in unseren sprachlichen Konventionen weiter („schlimmer als im Mittelalter“). Dabei war diese Epoche in politischer, kultureller und religiöser Hinsicht von Transformationsprozessen geprägt, die von der Spätantike herrührten und an die auch die Reformationszeit und die Moderne anknüpften. Sowohl in den neu gegründeten Ordensgemeinschaften wie an den Universitäten wurden für Theologie und Philosophie innovative Kräfte freigelegt, die über Epochengrenzen hinaus gewirkt haben. Gleichzeitig war das mittelalterliche Christentum von einer tiefgreifenden Pluralität geprägt, die sich u.a. in Frömmigkeits-, Literatur- und Kunstgeschichte abgebildet hat. Das Mittelalter war schließlich auch eine Epoche der Gegensätze und (gewaltsamen) Auseinandersetzungen, die nicht allein das Mittelalter geprägt haben. Das Papsttum profilierte sich in der Auseinandersetzung mit den kaiserlichen Autoritätsansprüchen einerseits und mit christlichen Devianzerscheinungen sowie kirchlichen Reformbestrebungen andererseits. Jüdische Gemeinden haben das kulturelle und religiöse Leben Europas auf vielfache Weise geprägt und wurden gleichzeitig Ziel von Diskriminierung und Gewalt. Im Mittelmeerraum kam es sowohl zu einem fruchtbaren kulturellen Austausch wie auch zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem islamischen Kulturraum. Die Vorlesung möchte diesen Entwicklungen nachgehen, sie exemplarisch darstellen und historisch verorten. |