Kommentar |
Naturkatastrophen, Artensterben und Ressourcenausbeutung, sowie die Verschmutzung ganzer Landschaften treten heute in einem nie dagewesenen Ausmaß auf. Als Folge lässt sich beobachten, wie sich soziale und ökologische Bedingungen auf dem Planeten zunehmend verschärfen und sich sämtliche Lebensformen für ein Fortbestehen anpassen und transformieren müssen. Unter dem Paradigma der multispecies ethnography formulieren Vertreter*innen verschiedener Disziplinen seit einigen Jahren Ansätze und Denkformen, um einerseits die sich verändernden sozioökologischen Bedingungen planetarischen Zusammenlebens zu begreifen und andererseits Annahmen eines sog. human exeptionalism als zentrale Ursachen eines umweltzerstörerischen Kapitalismus in gesellschaftlichen wie wissenschaftlichen Diskursen zu problematisieren und aktiv zu überwinden. Das Tutorium beschäftigt sich mit den Grenzen und Potenzialen dieses wissenschaftlichen Projekts. Der interdisziplinäre Ansatz der multispecies ethnography verbindet zahlreiche Methodologien und Wissensformen. Im Fokus stehen hierbei mehr-als-menschliche Kollaborationen und wechselseitige Bedingung, sowie die Verhältnisse, Potentiale und Verstrickungen verschiedenster Lebensformen. Ziel ist es, neue Arten des Zusammenlebens in der Krise und unter anderem Formen „biokultureller Hoffnung“ (Kirskey, Helmreich 2010), der „Verwandtschaft“ (Haraway 2016; van Dooren, Chrulew 2022) und des „Überlebens“ (Tsing 2015) zu betonen, um spekulative Zukünfte gemeinschaftlichen Lebens auf einem „beschädigten Planeten“ (Tsing et.al. 2017) zu entwerfen. Dabei werden häufig sowohl die Ontologien planetarischen Zusammenlebens als auch bisherige Vorstellungen wissenschaftlicher Praxis herausgefordert. Das Tutorium nimmt zentrale Positionen der multispecies ethnography in den Blick und fragt konkret danach, inwiefern diese adäquate und transformative Ansätze für eine machtkritische und sozioökologische Auseinandersetzung mit den Verhältnissen in der Klimakrise anbietet. Es soll darum gehen, ob sie ihr Vorhaben eines posthumanistischen Paradigmenwechsels einlöst oder hinter diesem zurückbleibt und Gefahr läuft, lediglich zu einer ästhetisierenden Praxis krisenhafter Ökologien zu verfallen. |