Der triestiner Schriftsteller Italo Svevo lebte von 1861 bis 1926 – und damit nicht nur zu einer Zeit großer politischer Umbrüche, sondern auch zu einer Zeit, in der viele wissenschaftliche Entdeckungen und Entwicklungen als neues Wissen diskutiert wurden, die heute zu selbstverständlich gewordenen Grundlagen des westlichen Weltbildes zählen: Charles Darwins und Herbert Spencers Evolutionstheorie (und die damit verbundenen ‚sozialdarwinistischen‘ Vorstellungen), die Rolle von Bakterien und Viren in der Krankheitsübertragung und Theorien über Lebensenergie – und damit die Bedeutung von Hygiene (im engeren und weiteren Sinne) in der Medizin, die Thermodynamik und die einsteinsche Relativitätstheorie in der Physik, das Konzept der menschlichen Psyche und die Methode der Psychoanalyse (Sigmund Freud), die Ausarbeitung der Grenznutzentheorie in den Wirtschaftswissenschaften (Stanley Jevons, Léon Walras, Karl Menger, Vilfredo Pareto). Svevo, der die meiste Zeit seines Lebens die Literatur ‚nebenberuflich‘ betrieb, verfolgte die wissenschaftlichen Debatten intensiv und setzte sich in seinen literarischen Texten auf oft humorvoll-ironische Weise mit ihnen auseinander.
Insbesondere seine späten Texte, allen voran sein berühmtester Roman, La Coscienza di Zeno (1923), sollen im Seminar als ein Paradebeispiel dafür gelesen werden, wie Literatur wissenschaftliche Theorien aneignet, verhandelt, hinterfragt, miteinander in Relation setzt und poetologisch ausnutzt – und wie sie, nicht zuletzt, an ihrem Status als Wissen mitarbeitet.
Bibliographie:
Italo Svevo: La Coscienza di Zeno
Italo Svevo: La Rigenerazione
Italo Svevo: La tribù
Italo Svevo: Soggiorno londinese
Italo Svevo: L’uomo e la teoria darwiniana
Italo Svevo: Il dilettantismo
Theorie:
Joseph Vogl: Für eine Poetologie des Wissens.
Jacques Rancière: Die Namen der Geschichte. Versuch einer Poetik des Wissens.
Michel Foucault: Archäologie des Wissens.
Michel Foucault: Die Ordnung des Diskurses.
Catherine Gallagher/Stephen Greenblatt: Practicing New Historicism. |