Gruppe 1: Pogrom. Der 9. November 1938 im historischen Kontext
Der anstehende 85. Jahrestag der Novemberpogrome von 1938 bietet Anlass für eine differenzierte Beschäftigung mit einem komplexen Ereignis, das je nach Ort in Ausmaß wie Dauer variierte und unterschiedliche Gewaltpraktiken umfasste: Synagogen wurden zerstört, Geschäfte und Wohnungen geplündert, zehntausende Menschen verhaftet, gequält und getötet. Im Seminar fragen wir nach den Erfahrungen der Opfer, den Handlungen der Täter und der Beteiligung der Bystander, aber auch nach den Ursachen und Auswirkungen des Ereignisses. Wir ordnen die Novemberpogrome in den Kontext nationalsozialistischer Verfolgungs- und Mordpolitik ein, untersuchen die internationalen Reaktionen und widmen uns dem erinnerungskulturellen Umgang mit den Novemberpogromen in der Nachkriegszeit.
Das Seminar führt in die Arbeit mit verschiedenen Quellengattungen und geschichtswissenschaftlichen Methoden ein. Besonderes Augenmerk liegt auf der Vorbereitung der schriftlichen Hausarbeit.
Gruppe 2: Opportunismus und Wiedergeburt: Religiöse Konversionen in der Frühen Neuzeit
Das Phänomen der religiösen Konversion, also des Glaubenswechsel, stößt in historischen, theologischen, literaturwissenschaftlichen, soziologischen und ethnologischen Untersuchungen immer wieder auf Interesse: Konversionen zeigen religiöse Grenzen auf, belegen aber zugleich die Binnendynamik und kulturelle Diversität frühneuzeitlicher Gesellschaften. Sie können, wie Forschungen der letzten Jahre betont haben, Indikatoren einer Überwindung z.B. der Konfessionsspaltung sein, diese aber gleichzeitig auch zementieren. Es geht im Seminar v.a. um innerchristliche Konversionen und damit v.a. um das Verhältnis von „Konversion“ und „Konfession“ zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert; aber auch Konversionen zwischen Christentum, Judentum und Islam sollen eine Rolle spielen. Besonders wichtige Themen sind: Konvertiten bestimmter sozialer Gruppen (Fürsten, Gelehrte, Gemeiner Mann); konfessionsspezifische Konversionsstrategien; das Problem der „Authentizität“; Individualität und Konversion.
Gruppe 3: Mobilität auf dem Balkan in historischer Perspektive
Oft werden mit dem Balkan in der medialen Öffentlichkeit Vorstellungen von uraltem, tief verwurzelten Hass zwischen „den Ethnien“ assoziiert. In dieser Vorstellung steht alles seit Jahrhunderten still. Wie oberflächlich solche Zuschreibungen sind, zeigt sich, wenn wir uns mit der Geschichte des Balkan vermittels des Stichwortes Mobilität beschäftigen: wir sehen eine Region Europas, die seit Jahrhunderten in Bewegung ist, von wichtigen transkontinentalen Verkehrsverbindungen seit der Antike geprägt, wie der Via Diagonalis oder der Via Egnatia – bis in die jüngste Vergangenheit – etwa der berühmten „Gastarbeiter-Route“, die seinerzeit Arbeitsmigrant*innen vor allem aus Jugoslawien und der Türkei befuhren und es zum Teil auch heute noch tun. Das Seminar mit dem Schwerpunkt Mobilität bietet zugleich eine Einführung in die Geschichte Südosteuropas in einer globalen Perspektive – da gerade die Anlage von Verkehrswegen in imperialen oder (halb-)kolonialen Kontexten immer auch weit über die Region hinauswiesen.
Gruppe 4: Für den Kolonialismus werben. Imperiale Kulturen im Westeuropa der Zwischenkriegszeit
Gruppe 5: Der "neue Mensch" in der Sowjetunion: Utopien, Dystopien, Realitäten
Dieses Seminar untersucht eines der zentralen gesellschaftspolitischen Projekte der Sowjetunion: der Erschaffung des „neuen Menschen“. Der Kurs erforscht dieses Projekt in seiner ganzen Spannbreite und Widersprüchlichkeit. Er berücksichtigt dabei den Wandel der gelebten Realität ebenso wie konkurrierende Utopien einer Gesellschaft der Zukunft sowie Zweifel, Zukunftsängste und Dystopien.
Besondere Aufmerksamkeit wird der Vielfalt geschenkt, die für die Entwürfe vom neuen Menschen einerseits und für den Alltag und die Umsetzung dieser Entwürfe andererseits kennzeichnend waren. Manche sahen den neuen Menschen als entferntes Ziel, andere als konkretes Modell für „richtiges“ Verhalten. Viele nutzten dieses Bild zur Mobilisierung im Kampf gegen tatsächliche und imaginierte Feinde des Sozialismus. Der neue Mensch wurde zugleich besungen und verspottet. Im Alltag identifizierten sich die einen mit dieser Vorstellung, während andere damit nur Zwang und Kontrolle in Verbindung brachten. Zudem: Welches Geschlecht und welche Nationalität hatte der neue Mensch?
Zur Erforschung dieses Themenkomplexes werden im Seminar eine Vielzahl von visuellen und gedruckten Quellen des Zentrums und der verschiedenen Sowjetrepubliken zu Rate gezogen, von Dekreten, Reden und Protokollen über Presseartikel und Memoiren bis hin zu Literatur, Foto- und Filmmaterial.
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