Gruppe 1: Stadt, Land, Fluss. Konflikt und Innovation im Rhein-Main-Gebiet am Beginn des Hochmittelalters
Das 11. und 12. Jahrhundert gelten in der Forschung als ein Zeitraum verdichteten gesellschaftlichen Wandels, der sich auf verschiedenen Feldern ausdrückt: Wirtschaftliche Innovation, neue soziale Schichten, eine stärker städtisch orientierte Gesellschaft, Reform der Kirche und Krisen des Königtums. All diese Entwicklungen lassen sich auf kleinem Raum an Main und Mittelrhein gut beobachten und untersuchen. Im Seminar fragen wir nach den Wechselwirkungen von Konflikten, Innovationen und Gesellschaftsentwürfen in diesem Gebiet.
Erwartet wird die Bereitschaft, sich mit Literatur und Quellen intensiv auseinanderzusetzen. Das Seminar wird einen hohen Anteil von Gruppenarbeits-Aufgaben enthalten und Raum für die Vorbereitung einer Hausarbeit bieten.
Gruppe 2: Vom Objekt zur Studie - Was verraten uns Rotuli?
Dieses Bachelorseminar begleitet Ihr fortgeschrittenes Studium. Während die meisten Veranstaltungen eine thematische Klammer mit Blick auf Ereignisse und Strukturen haben, möchte diese Veranstaltung konsequent vom Objekt ausgehen.
Die Schriftrolle ist dabei ein Schriftträger, der uns heute jenseits kultischer Kontexte weniger vertraut ist, im Mittelalter aber noch in vielen Situationen zur Anwendung kam. Wir kennen also nicht allein Tora-Rollen, sondern auch Steuerrollen, Schadensrodel, Kalender, Zeugenlisten und viele mehr.
Die Kulturtechnik des Auf- oder Einbringens von Zeichen auf oder in Rollen ist dabei gemeinsames Erbe antiker Kulturen in vielen Teilen der Erde: zumindest von England bis Äthiopien, von Marokko bis Japan, aber auch weit darüber hinaus. Als Ausdrucksform für gesprochene Sprache begegnen uns Rollen auch in der mittelalterlichen darstellenden Kunst.
Anhand ausgewählter Beispiele sollen die Potentiale der Beschäftigung mit Schriftrollen – auch als Perspektive einer posteurozentrischen Geschichtswissenschaft – ergründet und die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bearbeitung geklärt werden. Zugleich werden grundlegende Arbeitstechniken aufgefrischt und gefestigt, erprobt und einstudiert. In der ersten Sitzung werden die für alle verbindlichen „Spielregeln“ festgelegt und um die Vorschläge der Studierenden ergänzt. Das Einüben grundlegender Arbeitstechniken und die Ausbildung eines Methodenbewusstseins sind essentiell für ein erfolgreiches Studium, das gilt auch für eines der Geschichte. Um den Anforderungen an das Studium der jeweiligen Teildisziplinen (wie etwa der epochal und meistens auf Europa ausgerichteten Mittelalterlichen Geschichte) gerecht zu werden, verknüpfen die Bachelorseminare propädeutische Aspekte mit thematischen Zugriffen. Perspektiven auf Räume und Prozesse von Kulturtechniken, auf Materialität und Bewahrung ermöglichen nicht zuletzt aufgrund der Einflüsse kulturwissenschaftlicher Arbeiten die Fokussierung auf Kulminationspunkte historischen Arbeitens und Analysierens. Weiterhin soll unser Geschichtsbild über das sog. Mittelalter einer Prüfung unterzogen werden.
Anhand ausgewählter Beispiele vornehmlich, aber nicht nur aus dem sogenannten lateineuropäischen Mittelalter werden curriculare Aufgaben der Veranstaltungsform erarbeitet und somit Grundlagen für Quellendiskussionen geschaffen. Vorgesehen ist zusätzlich ein halb- oder ganztägiger Ausflug an einem noch festzulegenden Termin. Sollte dies in Präsenz nicht möglich sein, gibt’s einen Online-Ausflug.
Es können im Rahmen der Veranstaltung Arbeitsfelder für die BA-Thesis im Bereich mittelalterliche Geschichte erprobt werden. Dies schließt – bei Interesse der Studierenden – dezidiert grundwissenschaftliche Arbeiten mit ein.
Auch über den eigentlichen thematischen Fokus hinaus sind Vorhaben, die in eine BA-Abschlussarbeit überführt werden sollen, stets willkommen.
Erfolgreichen Teilnehmer:innen der Veranstaltung soll die Möglichkeit der Präsentation von Postern auf einer wissenschaftlichen Tagung gegeben werden.
Auf Wunsch der Studierenden wird die Veranstaltung (wie das Geschichtsstudium im Allgemeinen) mit einer Trigger-Warnung versehen: die Lektüre von Quellen erschüttert mitunter Weltbilder und fordert Denkmuster heraus. Sie offenbart und erfordert die Auseinandersetzung unter anderem mit menschlichen Abgründen, Gewalt, Zwang, Ungleichheiten, Politik, Religion.
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