Kommentar |
Das Neue ist die Grundfigur der Moderne. Es ist das Versprechen technologischer Lebenserleichterung und wissenschaftlicher Erkenntnisakkumulation. In der kapitalistischen Wachstumslogik ist unter dem Verdikt der Innovation die „technische Entwicklung mit dem Fortschritt der modernen Wissenschaften“ verschmolzen (Habermas 1968) und zur Bedingung funktionierender Gesellschaften geworden. Innovation ist seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert auch das zentrale Wertungskriterium literarischer Texte, die sich nicht länger an Aufträge, Anlässe oder Regelpoetiken halten müssen und vielmehr nach ihren formalen Neuerungen oder aber nach der Aktualität ihrer Gesellschaftsdeutung eingestuft werden. In unserer Zeit jedoch scheinen das Pathos des Neuen zunehmend seine Evidenz und der Glauben an die Innovation seinen Reiz zu verlieren. Seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts wirkt das Neue hoffnungslos veraltet. Der Club of Rome, die Postmoderne und auch die Wissenschaftsgeschichte von Fleck bis Kuhn suchen nach alternativen Modellen des guten (Zusammen-)Lebens, des Wissenswandels und der künstlerischen Wertung. Immer mehr Stimmen hinterfragen nicht nur die Verantwortbarkeit, sondern auch den kritischen Wert der Innovation und setzen ihr Figuren der Verflechtung, Wertschätzung und Nachhaltigkeit entgegen. Dennoch scheint das Neue nicht verschwunden zu sein: Etwas so noch nicht gesehen zu haben, gilt immer noch als Relevanzgarantie, ebenso wie die Entlarvung einer vermeintlichen Innovation als „alter Wein in neuen Schläuchen“ nach wie vor mit einer klaren Abwertung einhergeht. Ausgehend von der Kritik an Fortschrittserzählungen beleuchten wir das Verhältnis von Innovation und Tradition in verschiedenen aktuellen Kontexten und historischen Konstellationen. Das SE geht der Figur ‚Innovation‘ in der Literatur- und Wissenschaftsgeschichte der Moderne auf den Grund und fragt nach ihrer Relevanz und ihren Brüchen für historische Transformationen und unsere heutige Zeit. Studienbegleitende Leistung: Impulsreferat |