Kommentar |
Sei es im Theater, Tanz, in den bildenden Künsten, in Performance Art, Musik oder im alltäglichen Leben: Wir kommen in den unterschiedlichsten Kontexten mit Performances in Berührung. Doch was genau meinen wir eigentlich, wenn wir beispielsweise im musikwissenschaftlichen Kontext von einer Performance sprechen? Definiert sich diese darüber, dass es sich um eine (Live-)Präsentation eines Musikereignisses durch Musiker*innen und andere Akteure zu einer bestimmten Zeit, an einem bestimmten Ort sowie in der Regel in Anwesenheit eines Publikums auszeichnet?
Ihren Ursprung in der Literatur- und Sprachwissenschaft findend, hat sich die Idee hinter „Performativität“ im Laufe des 21. Jahrhunderts zu einem vielfältigen und komplexen Diskurs entwickelt, welcher sich von der Linguistik, Anthropologie bis hin zum stetig wachsenden Feld der Performance Studies erstreckt - und geht dabei mittlerweile über die Erforschung historischer Aufführungspraxis hinaus. Im deutschsprachigen Raum vor allem an die Theaterwissenschaft angelehnt, umfasst das Konzept der (musikalischen) Performativität - und die damit verbundene Interpretationsforschung und Aufführungsanalyse - weitaus mehr als nur die Produktion von Klängen und Bewegung, oder eben die Präsenz, das Können, den Stil und die Inszenierung der performenden Künstler*innen. Populäre Musik in ihrer Gesamtheit als Performance wahrzunehmen impliziert zu erforschen, was genu eigentlich verkörpert wird, in welche soziokulturellen Prozesse Performances eingebettet sind und inwiefern sie nicht nur als Medium für inhaltliche Reize fungieren, sondern auch als Bedeutungsträger oder zur Wissensproduktion.
Im Rahmen des Seminars lesen und diskutieren wir gemeinsam die wichtigsten Forschungsansätze und Theorien musikwissenschaftlicher Performanceforschung. In diesem Zusammenhang erarbeiten wir grundlegende Begriffe wie Performativität, Persona, Liveness, Authentizität und Inszenierung und reflektieren, bei welchen musikwissenschaftlichen Fragestellungen Performance als Analyse-Kategorie hilfreich sein kann. Das erarbeitete Wissen soll begleitend zum Seminar in Einzelarbeit oder in Kleingruppen beispielhaft an aktuell in Berlin stattfindenden Performances angewandt werden. |
Literatur |
Auslander, Philip (2008): Liveness. Performance in a mediatized culture. New York, London: Routledge.
Bachmann-Medick, Doris (2014): Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Rowohlt.
Cook, Nicholas (2017): Music, Performance, Meaning. Selected Essays. New York: Routledge.
Fischer-Lichte, Erika (2004): Ästhetik des Performativen, Frankfurt/Main: Suhrkamp.
Fischer-Lichte, Erika (2012): Performativität. Eine Einführung. Bielefeld: transcript.
Goffman, Erving (1983): Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag. München: Piper.
Helms, Dietrich; Phleps, Thomas (2013): Ware Inszenierungen. Performance, Vermakrtung und Authentizität in der populäre Musik. Beiträge zur Popularmusikforschung 39. Bielefeld: transcript.
Inglis, Ian (Ed.) (2006): Performance and popular music. History, place and time. New York, London: Routledge.
Jost, Christopher (2013): Der performative turn in der Musikforschung. Zwischen Desiderat und (teil)disziplinärem Paradigma. In: Musiktheorie. Zeitschrift für Musikwissenschaft, Vol. 28, No. 4, S. 291-310.
Kleiner, Marcus S.; Thomas Wilke (2013): Performativität und Medialität Populärer Kulturen. Wiesbaden: Springer VS.
Schechner, Richard (2006): Performance Studies. An Introduction. Second Edition. New York, London: Routledge. |