Kommentar |
Von den Anfängen der Kinderpsychologie über die Reformpädagogik, den Diskurs über Kinderrechte und die Entwicklungen der Kinderliteratur bildet sich in der Moderne eine ganz eigene Kultur der Kindheit heraus. Bereits um 1900 wird das heraufziehende Jahrhundert als „Jahrhundert des Kindes“ ausgerufen, mit dem sich nicht nur eine neue Aufmerksamkeit für die Kinder, sondern gleichermaßen ein Versprechen auf die Zukunft verbindet. Dabei ist auffällig, wie entscheidend einerseits insbesondere die Beiträge jüdischer Protagonist:innen für die Neubestimmung der Kindheit waren und wie wenig andererseits diesem Umstand in der modernen Kulturgeschichte der Kindheit Rechnung getragen wurde. Im Seminar werden wir uns die Frage nach den Überkreuzungen der Suchbewegungen einer jüdischen Identität und jener Aufmerksamkeit für „das Kleine“: die „kleinen Leute, kleinen Bedürfnisse, kleinen Freuden und Leiden“ (Korszak) stellen. Von den psychoanalytischen Kinderstudien Sigmund Freuds und Melanie Kleins über Walter Benjamins Überlegungen zur Kindheit, werden wir uns ebenso mit den pädagogischen Schriften Janusz Korczaks, Siegfried Bernfelds und Nelly Wolfheims beschäftigen, wie mit der Kinderliteratur Irma Singers und Maurice Sendaks. In den Blick geraten dabei nicht nur die in den Texten zum Ausdruck kommenden Entwürfe jüdischer Identitäten (oder auch deren Marginalisierung) sowie die ganz unterschiedlichen Bedeutungen von Kindheit, sondern ebenso die spezifischen Erfahrungen jüdischer Kinder im 20. Jahrhundert. |