Kommentar |
Städte verfügen nach Martina Löw über eine gewachsene „Eigenlogik“ und werden nicht zuletzt durch alltägliche urbane Praktiken konstituiert. Wenn jedoch Städte in Ausnahmezustände versetzt werden, z.B. durch Katastrophen oder Kriege, führt das zwangsläufig zu Veränderungen der eingeschliffenen Stadt-Topographie. Konkret heißt das, Straßenverläufe ändern sich, Gebäude verschwinden, Brücken werden zerstört, Flussübergänge verschoben. Das gefährdet das (Über-)Leben der Stadtbewohner:innen.
Im Seminar geht es uns um die literarische Transformierung kriegsbedingter Folgen. Drei Städte stehen dabei im Fokus: die Blockade von Leningrad (Lidija Ginzburg), der Warschauer Aufstand (Miron Białoszewski) sowie die Belagerung von Sarajevo (Dževad Karahasan). Das Seminar wird sich auch auf aktuelle Belagerungsliteratur aus der Ukraine beziehen (Yevgenia Belorusets). Die literarischen Texte reflektieren den urbanen Alltag im Ausnahmezustand, neue Alltagspraktiken, temporäre Raumverschiebungen. Zugleich werden wir uns auch den politischen Narrativen widmen, die die Belagerungszustände jeweils medial erinnern bzw. auch instrumentalisieren. Raumtheoretische Überlegungen von Marc Augé, Michel de Certeau, Henri Lefebvre, Martina Löw u.a. bilden unsere Diskussionsgrundlage. Das Material wird im Original und in deutscher Übersetzung zur Verfügung gestellt. Die Sitzungen finden blockweise an drei Terminen freitags (12-16 Uhr) plus samstags (10-14 Uhr) statt. Die Termine werden rechtzeitig auf Agnes bekanntgegeben.
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