Lotman und Uspenskij beschreiben Kultur als nicht vererbbares Gedächtnis eines Kollektivs, „das in einem bestimmten System von Verboten und Vorschriften seinen Ausdruck findet“, wobei nicht so sehr die Aussage, sondern das sie steuernde Regelwerk akzentuiert wird, genau das also, was Politik durch euphemistische Rhetorik zu verschleiern sucht.
Die prinzipielle Bipolarität auf axiologischer Ebene der russischen Kultur erzeuge fortwährend Neues allein im Wechsel der Vorzeichen, lediglich als Umkehrung des vorherigen Alten und somit fände keine wirkliche Evolution statt.
Der für die russische kulturelle Verfasstheit typische prinzipielle Dualismus kenne keine neutrale Mitte. Somit entstünde das Neue in Russland nicht wie in westlichen Kulturen aus der Mitte, nicht aus der strukturell ungenutzten Reserve, sondern erwiese sich stets als Ergebnis der Transformation des Alten … Welche Konsequenzen hat diese These für das Verhältnis von Staat und Gesellschaft in Russland? Führt aus dem Zusammenhang „Kul’tura i vzryv“ (Lotman) ein Weg in ein ternäres Kultursystem? |