Kommentar |
Vom Küchenfenster seiner Plattenbauwohnung in Ústí nad Labem notiert sich der tschechische Art Brut-Künstler Zdeněk Košek in den 1990er Jahren minutiöse Beobachtungen zum Wetter und seinen Phänomenen. Dabei wird er von dem Phantasma bewegt, durch das Schreiben das Wetter der Welt mitzugestalten, einen „Herrscher des Wetters“ zu sein. Im Zentrum des Seminars stehen literarische Imaginationen des Wetters: Texte, in denen die „süße Bedeutungslosigkeit“ (R. Barthes) des Wetters – „durch das Fenster schauen, sich die Wettervorhersage im Radio anhören, einen Regenschirm tragen“ (J. Zábrana) – poetologisches Potenzial gewinnt, sich zu einer „literarischen Meteorologie“ entfaltet. Im Seminar werden wir zunächst theoretische Perspektiven (Poetologie des Wissens, Naturästhetik, Stimmungstheorie) und Ansätze (G. Böhme, H. U. Gumbrecht, M. Gamper) kennen lernen und ein Begriffsinstrumentarium erarbeiten. Der zweite Teil des Seminars ist der Geschichte und Poetik der literarischen Meteorologie in den slawischen Literaturen gewidmet. Am Beispiel von ausgesuchten Prosa- und Lyriktexten von der Romantik bis zur Gegenwart werden wir den historisch sowie individuell geprägten Elementen einer „Meteopoetik“ nachspüren und auf variierende Aspekte (Konzepte des Erhabenen, Stimmung und Atmosphäre, Alltäglichkeit und Banalität, Gattungspoetik der kleinen Form, autobiographisches Schreiben usw.) hin untersuchen. |