Kommentar |
Gruppe 1: Mensch-Tier-Beziehungen im Mittelalter
Unlängst fand im Kanton Basel eine Abstimmung darüber statt, ob Primaten Grundrechte erhalten sollen. Die Befürworter führten die Intelligenz, das Sozialverhalten, die Emotionen sowie die prinzipielle Ähnlichkeit der Tiere zu Menschen für ihr Anliegen ins Feld. Eben diese bestritten die Gegner, die befürchteten, dass damit die Grenze zwischen Mensch und Tier aufgegeben würde. Und überhaupt: Wo wären künftig Trennlinien zu ziehen? Schließlich seien auch Delphine intelligent. Das Vorhaben scheiterte, aber Diskussionen wie diese sind damit nicht aus der Welt. Sie sind ein Indiz dafür, wie Grenzen des Sozialen derzeit an mehreren Fronten gleichzeitig – und markant nicht zuletzt mit Blick auf Tiere – zu verschwimmen scheinen.
Vor dem Hintergrund solcher Diskussionen erscheint die klassische Moderne, in der ausschließlich Menschen als soziale Akteure gelten, zunehmend als Sonderfall, nicht als Normalfall, der für alle Gesellschaften und epochenübergreifend vorausgesetzt werden darf. Die Frage jedenfalls, ob die typisch moderne, anthropozentrische Akteursdefinition an ihre Grenzen, wenn nicht gar an ihr Ende gelangt ist, wird derzeit allerorten und disziplinen- und epochenübergreifend diskutiert.
Für die Mediävistinnen und Mediävisten sind die Erfahrungen der Gegenwart weniger abseitig, als sie auf den ersten Blick scheinen mögen: In der Vormoderne führte man Prozesse gegen Tiere, man sprach mit ihnen, behandelte sie besser als manchen Menschen, pflegte intensive Sozialbeziehungen aller Art mit ihnen. Aber man brauchte sie auch für die Arbeit, man nutze sie auf dem Feld und im Krieg, sperrte sie ein und verschenkte sie. Ihr Status – wahlweise als Akteur oder als Ding – changierte mithin je nach Situation und Kontext permanent. Diese Vielschichtigkeit gemeinsam zu erarbeiten und zugleich die aktuellen Debatten der human-animal-studies im Besonderen und jene zur Akteursschaft im Allgemeinen einer kritischen Revision zu unterziehen, ist das Ziel des Seminars.
Gruppe 2: Begegnung und Verflechtung im Mittelalter
Dieses Bachelorseminar begleitet Ihr fortgeschrittenes Studium. Anhand ausgewählter Beispiele aus dem für die Mediävistik zentralen Themenkreis rund um Verflechtung/Entanglement und Begegnung lassen sich zahlreiche Aspekte der der politischen, Stadt-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte erörtern – die Verflechtungsgeschichte erweist sich mithin ihrerseits bereits als Teildisziplin der Geschichtswissenschaft – und zugleich werden grundlegende Arbeitstechniken aufgefrischt und gefestigt, erprobt und einstudiert. In der ersten Sitzung werden die für alle verbindlichen „Spielregeln“ festgelegt und um die Vorschläge der Studierenden ergänzt. Das Einüben grundlegender Arbeitstechniken und die Ausbildung eines Methodenbewusstseins sind essentiell für ein erfolgreiches Studium, das gilt auch für eines der Geschichte. Um den Anforderungen an das Studium der jeweiligen Teildisziplinen (wie etwa der epochal und meistens auf Europa ausgerichteten Mittelalterlichen Geschichte) gerecht zu werden, verknüpfen die Bachelorseminare propädeutische Aspekte mit thematischen Zugriffen. Perspektiven auf Räume und Prozesse der Begegnung ermöglichen nicht zuletzt aufgrund der Einflüsse kulturwissenschaftlicher Arbeiten die Fokussierung auf Kulminationspunkte historischen Arbeitens und Analysierens. Weiterhin soll unser Geschichtsbild über das sog. Mittelalter einer Prüfung unterzogen werden.
Anhand ausgewählter Beispiele vornehmlich, aber nicht nur aus dem Heiligen Römischen Reich werden curriculare Aufgaben der Veranstaltungsform erarbeitet und somit Grundlagen für Quellendiskussionen geschaffen. Vorgesehen ist zusätzlich ein halb- oder ganztägiger Ausflug an einem noch festzulegenden Termin. Sollte dies in Präsenz nicht möglich sein, gibt’s einen Online-Ausflug.
Vorhaben, die in eine BA-Abschlussarbeit überführt werden sollen, sind stets willkommen.
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Literatur |
Gruppe 1: Mensch-Tier-Beziehungen im Mittelalter
Handbook of Historical Animal Studies, hrsg. v. Mieke Roscher, André Krebber u. Brett Mizelle, Berlin/Boston 2021.
Lindemann, Gesa, Das Soziale von seinen Grenzen her denken, Weilerswist 2009.
Roscher, Mieke, Human-Animal Studies, Version: 1.0, in Docupedia-Zeitgeschichte, 25.01.2012, http://docupedia.de/zg/Human-Animal_Studies.
Gruppe 2: Begegnung und Verflechtung im Mittelalter
Goetz, Hans-Werner: Proseminar Geschichte: Mittelalter. 4. Aufl., Stuttgart: Ulmer 2006 (Uni-Taschenbücher; 1719) [Anschaffungstipp: die gedruckte Fassung, gibt’s günstig gebraucht, in der UB auch als E-Book]
Blockmans, Wim/Peter Hoppenbrouwers: Introduction to Medieval Europe 300–1500. 3., völlig überarbeitete Aufl., London/New York 2018 [Lektüretipp – in Auswahl]
Meinhardt, Matthias, Andreas Ranft und Stephan Selzer: Mittelalter. 2. Auflage, Berlin/München 2009 (Oldenbourg Geschichte Lehrbuch). [Lektüretipp – in Auswahl]
Christ, Georg/Dönitz, Saskia/König, Daniel/Küçükhüseyin, Şevket/Mersch, Margit/Müller-Schauenburg, Britta et al.: Transkulturelle Verflechtungen. Mediävistische Perspektiven. Göttingen: Universitätsverlag Göttingen 2016.
Isenmann, Eberhard: Die deutsche Stadt im Mittelalter 1150–1550. Stadtgestalt, Recht, Verfassung, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft, Wien, Köln, Weimar 22014. [Literaturhinweis]
Seresse, Volker: Kirche und Christentum – Grundwissen für Historiker. Boston/Paderborn 2010 (Uni-Taschenbücher resp. Utb.elibrary) (online über UB verfügbar) [dringend angeraten für alle ohne vertiefende Kenntnisse des Christentums]
Kurslektüren werden zu Beginn der Veranstaltung festgelegt (und ggf. bereitgestellt), die Literatur zum Themenzugriff und propädeutischen Aspekten gemeinsam erarbeitet.
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