Kommentar |
Einem gängigen Verständnis zufolge besteht die Aufgabe der Moralphilosophie in der Formulierung und Begründung moralischer Prinzipien. Zwei philosophiegeschichtlich besonders prominente Kandidaten für das höchste Moralprinzip sind beispielsweise der kategorische Imperativ und das Nutzenmaximierungsprinzip des klassischen Utilitarismus. Doch auch im Alltag berufen wir uns beim Fällen moralischer Urteile regelmäßig auf Prinzipien, z.B.: „man muss seine Versprechen halten“, „alle haben das gleiche Anrecht auf medizinische Versorgung“, oder „wer einem anderen Leid zugefügt hat, der schuldet ihm Wiedergutmachung“.
In diesem Seminar werden wir der Frage nachgehen, ob Prinzipien wirklich so zentral für die Moral sind, wie es auf den ersten Blick erscheint. Die Position, die dies bejaht, wird oft als Generalismus oder Universalismus bezeichnet. Ihr gegenüber steht der moralische Partikularismus, der insbesondere in der jüngeren Debatte verstärkte Aufmerksamkeit erfahren hat, jedoch ebenfalls auf eine historische Tradition verweisen kann, die zumindest einigen seiner Vertreter zufolge bis zu Aristoteles zurückreicht. Der moralische Partikularismus ist in seiner allgemeinsten Form die These, dass die Moral ohne Prinzipien auskommt. In seiner stärksten Variante besagt der Partikularismus, dass es keinerlei vertretbare moralische Prinzipien gibt und wir in der Moral letztlich immer nur Einzelurteile über spezifische Situationen fällen können. Dies wird unter anderem unter Rückgriff auf metaphysische, erkenntnistheoretische und sprachphilosophische Argumente begründet. Wie tragfähig diese Argumente sind, und was Generalistinnen auf sie entgegnen können, werden wir im Seminar untersuchen.
Die Teilnahme am Seminar setzt die Bereitschaft zur Lektüre englischsprachiger Texte voraus. |