Reformpädagogik – reformpädagogische Ansätze haben nach wie vor Konjunktur: Viele pädagogische Einrichtungen verwenden Namen wie Montessori, Steiner oder Petersen. Mit ihnen verbinden sich seit Jahrzehnten Hoffnungen auf Erziehungs- und Schulreform, die sich von einer vermeintlichen Normalpädagogik abgrenzt. Was in der Öffentlichkeit und in der institutionellen Praxis oft ungefragt verbreitet wird, wird in der Forschung kritisiert. Maria Montessoris (Übungsmaterialien), Ellen Keys (Jahrhundert des Kindes), Peter Petersens (Jena-Plan) oder Rudolf Steiners (Anthroposophie, Waldorfpädagogik) Ansätze sind versetzt mit autoritären, rassistischen und antisemitischen Narrativen. Mit ihnen verbinden sich Kontroversen um eine Pädagogik vom Kinde aus, um Schul- und Unterrichtsreform, Arbeits- und Projektmethode, aber auch um Rassismus, Eugenik – und sexuellem Missbrauch. In diesem Seminar wird auf der Grundlage einer engen und kritischen Lektüre von Originaltexten eine kritische Rekonstruktion und Dekonstruktion reformpädagogischer Zugänge vorgenommen. Es werden Strukturen und Debatten um die Reformpädagogik aufgegriffen und deren aktuelle Transformationen und Auswirkungen kritisch analysiert.
Im zweiten Teil des Seminars werden wir uns ausgehend von den dramatischen Ereignissen an der Odenwaldschule mit Fragen und Problemen der ‚Sexuellen Gewalt in pädagogischen Beziehungen‘ exemplarisch eine gemeinsame Problemstellung von Erziehungswissenschaft und Frauen- und Geschlechterforschung vertieft. Dazu werden historische wie aktuelle Beiträge aus der Theoriebildung und der (wissenschafts-)politischen Debatte zur Diskussion gestellt.