Kommentar |
Der Begriff Weltliteratur wurde von illustren Männern wie Johann Wolfgang Goethe, Karl Marx und Friedrich Engels verwandt. Ausgehend von der Idee, dass „die Poesie ein Gemeingut der Menschheit ist, und daß sie überall und zu allen Zeiten in hunderten und aber hunderten von Menschen hervortritt“, folgert Goethe: „National-Literatur will jetzt nicht viel sagen, die Epoche der Welt-Literatur ist an der Zeit und jeder muß jetzt dazu wirken, diese Epoche zu beschleunigen.“ Anklänge dieser ‚Transnationalisierung von Literatur‘ beschreiben auch Marx und Engels 1848 im Kommunistischen Manifest, jedoch deutlich weniger enthusiastisch: „Die geistigen Erzeugnisse der einzelnen Nationen werden Gemeingut. Die nationale Einseitigkeit und Beschränktheit wird mehr und mehr unmöglich, und aus den vielen nationalen und lokalen Literaturen bildet sich eine Weltliteratur.“ Zwischen dem Wunsch nach Zugehörigkeit zur gesamten Welt und der gesamten Welt als Markt pendelt zunächst das Verständnis von Weltliteratur. Der Ort, von dem dieses Pendels aus schwingt, liegt dabei aber stets in Europa.
Mit René Etiembles Arbeit, die die Frage aufwarf Faut-il réviser la notion de Weltliteratur? (in: Essais de littérature vraiment générale, 1975) begann ein Revisionsprozess des Begriffs, den zunächst die Ansätze von Pascale Casanova (La République mondiale des lettres, 1999), David Damrosh (What Is World Literature?, 2003) oder Emily Apter (Against World Literature, 2013) gestalteten. In der Zwischenzeit sind vor allem Positionen außereuropäischer, marginaler und post-kolonialer Literaturen hinzugekommen, denen wir uns im Seminar besonders zuwenden.
Dazu setzen wir uns mit der historischen Herausbildung des Begriffes auseinander und verfolgen die Diskussion bis hin zu zeitgenössischen Positionen. Besonderes Augenmerk legen wir auf theoretische Texte, die die Welt aus phänomenologischer Perspektive betrachten und die die Kraft des „world-making“ in literarischen und künstlerischen Ausdrucksformen offenlegen. Der literarische, filmische und künstlerische Schwerpunkt des Seminars wird bei außereuropäischen Literaturen liegen. Die Bereitschaft zur Lektüre spanisch-, englisch- und französischsprachiger Originaltexte wird vorausgesetzt. |